Beinssen, Jan
guttat. Auch Gabriele würde sie noch überzeugen können. Sie müsste nur die geeigneten Argumente finden.
Als ihr Telefon klingelte, nahm sie mit neu gefasstem Schwung ab: »Sina Rubov. Wer ist dran?«
»Ich bin’s, Kleine.« Gabriele klang unternehmungslustig. »Geh heute früh schlafen. Du musst fit sein, wenn es so weit ist.«
»Äh, Gabi …« Sina hatte mit diesem Anruf nicht
gerechnet. Noch nicht. Es hatte ihr die Zeit gefehlt, sich die richtigen Worte für ihre Freundin zurechtzulegen.
»Ich habe mit Huber gesprochen. Er hat mir ohne Umschweife den nächsten geplanten Flug von Schmidbauer durchgegeben.«
»Ähm …« Sina suchte nach dem passenden Einstieg für ihren geplanten Ausstieg, fand ihn aber nicht. Stattdessen fragte sie: »Wann soll’s denn losgehen?«
»Morgen Abend«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Gabriele hatte längst aufgelegt, als Sina noch immer darüber nachsann, wie sie sich jetzt noch aus der Affäre ziehen könnte.
28
Der Peugeot war gegen Gabrieles VW Bulli ausgetauscht und die Teilnehmerzahl um Gabi und Friedhelm ergänzt worden. Ansonsten war die Situation die gleiche wie tags zuvor: Sina hatte den selben Waldweg als Ausgangspunkt ihrer Observation gewählt und schon auf dem Weg dorthin festgestellt, dass das verdächtige Baufahrzeug wie erhofft wieder vor dem Eingang der Akademie stand.
Dennoch gab es Unterschiede im Vergleich zum letzten Mal. Zum einen durch die nicht gerade angenehme Anwesenheit Friedhelms, der alle fünf Minuten völlig unkonstruktive Ratschläge zum Besten gab und außerdem Mundgeruch hatte. Zum anderen machte es die fortgeschrittene Tageszeit ihnen nicht leichter. Das Akademiegebäude war längst nur noch als kastenförmiger Schattenriss zu erkennen. Was rundherum passierte, konnten die beiden Frauen beim Blick durch ihre Ferngläser nur erahnen. Denn beleuchtet war lediglich die Straße, die zur NHA führte und das unmittelbare Umfeld, das vom schwachen, durch die Fenster scheinenden Gelb der Innenbeleuchtung erhellt wurde.
Schweigsam und konzentriert suchten sie das Terrain ab. Sie schwenkten ihre Ferngläser langsam hin und her. Sie wollten sicherstellen, dass sie nichts übersahen, wenn es richtig losging. Denn wenn
Schmidbauers Limousine vorfahren würde, hätten sie keine Gelegenheit mehr, sich um das Umfeld zu kümmern.
Ihre Augen brannten von der ungewohnten Anstrengung, als sie ohne Resultat aufgaben. »Nichts«, stellte Gabriele fest. »Nichts rührt sich. Nicht einmal ein Mäuschen.«
Von hinten knisterte es. »Möchtet ihr auch eine Minisalami?«, fragte Friedhelm kauend.
Gabriele warf ihm einen bösen Blick zu. »Wenn du schon jetzt alle Vorräte aufbrauchst, haben wir nichts mehr für die Nacht.«
»Nacht?«, fragte ihr Bruder entgeistert. »Wie lange gedenkt Frau Detektivin denn hierzubleiben?«
»Solange es nötig ist.«
Friedhelm verzog das Gesicht. Sina fand, es sah nun aus wie ein zerknautschter Sack.
Schmidbauer war längst überfällig, als Gabriele den Zeigerstand ihrer Uhr zum wiederholten Mal mit der Uhr im Armaturenbrett verglich, weil sie glaubte, ihre ginge vor. »Wo bleibt er denn?«, murmelte sie.
Sina, die bis eben konzentriert durch ihr Fernglas geschaut hatte, gähnte herzhaft. »Bist du sicher, dass du Huber richtig verstanden hast? Wenn ich mich nicht täusche, haben die in der Luftfahrt andere Zeitangaben. Vielleicht hast du da was verwechselt.«
»Ich habe nichts verwechselt«, gab Gabriele giftig zurück. »Huber hat mir die geplante Ankunft
der Maschine in Ortszeit mitgeteilt. Ich bin doch nicht blöd.«
»Na ja …«, traute sich Friedhelm anzumerken und entging knapp einer Ohrfeige.
Sina musste lachen. »Ortszeit hin oder her. Jedenfalls ist Schmidbauer nicht da. Obwohl er – die Strecke vom Airport bis hierher mitgerechnet – vor mindestens einer Stunde angekommen sein müsste.«
»Vielleicht hat sich der Abflug in Berlin verzögert oder die Maschine musste eine Schlechtwetterfront umfliegen«, mutmaßte Gabriele. »Wie auch immer: Wir müssen uns in Geduld üben und warten.«
»Wenn das so ist«, auf der Rückbank wurde es wieder unruhig, »dann muss ich erst einmal Platz in meiner Blase schaffen.« Friedhelm schob die Seitentür auf.
»Aber beeil dich mit dem Pinkeln!«, rief ihm seine Schwester nach. »Wir brauchen deine Kamera, sobald Schmidbauer aufkreuzt.«
»Ja, ja, ich gebe mein Bestes«, meinte Friedhelm und verschwand hinter dem nächsten Holzstoß.
Sina schüttelte
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