Beiss mich - Roman
sei nur deshalb schon eher zurückgekommen, weil sie arbeiten müsse.
Den Zeitpunkt unserer angeblichen gemeinsamen Abreise hatte sie in ihrer polizeilichen Aussage praktischerweise vor die Bluttat im Waschkeller verlegt, weshalb die Kripo, so ihre Meinung, uns auch ganz bestimmt nicht mehr wegen etwaiger Zeugenaussagen nerven werde.
»Ist den Ermittlern nicht aufgefallen, dass dein Wagen noch da war?«
»Ich habe ihn gleich in der ersten Nacht weggefahren und auf einem Park-and-Ride-Platz abgestellt.«
»Das war sehr klug von dir.«
Ich konnte Solveigs Busen förmlich schwellen sehen. Triumphierend fuhr sie fort: »Aber das Allerbeste ist, dass es einen Verdächtigen gibt! Einer von den Mietern aus dem Haus ist nämlich spurlos verschwunden, er heißt Mehmet. Der ist übrigens wegen Rauschgifthandel vorbestraft. Im Keller haben sie Spuren von Kokain gefunden, an der Leiche und auf dem Fußboden. Da hatten sie dann schnell den Mehmet in Verdacht.«
Ich runzelte die Stirn. Ausgerechnet dieses Weichei!
»Wegen der Verletzungen sind die Untersuchungen noch im Gange, aber die ersten Vermutungen gehen dahin, dass er einen abgerichteten Kampfhund eingesetzt hat.«
»Oh«, meinte Martin indigniert. »Hoffentlich sehen sie bei der Obduktion nicht zu genau nach. Dann würde auffallen, dass etwas von seinem Blut fehlt.«
Praktisch alles davon, dachte ich betreten.
»Martin?« Solveigs Stimme hatte einen schmeichelnden Klang angenommen. Plötzlich nahm ich wahr, wie sich ihr Atem beschleunigte, und auch ihr Geruch änderte sich. Ich roch den scharfen Dunst weiblicher Erregung. Mühsam unterdrückte ich ein heftiges Zähneknirschen. Dieses Weib war geil auf ihn! Immer noch! Am liebsten hätte ich das Wohnzimmer gestürmt und ihr Sitten beigebracht. Meine veränderte Konstitution hatte mir beachtliche Körperkräfte beschert. Ich war jetzt nicht nur weit flinker, sondern auch um einiges stärker als zuvor. Wahrscheinlich konnte ich sie mit einer Hand hochheben. Und sie gegen die Wand drücken. Und ihr mit gebleckten Eckzähnen die Meinung sagen!
Ich spürte bereits, wie mir Fänge wuchsen und sich in die Unterlippe bohrten. Doch eisern hielt ich an mich und lauschte der Unterhaltung. Vielleicht wollte Martin es selbst übernehmen, sie in ihre Schranken zu weisen. Dann hätte ich mich ganz umsonst aufgeregt.
Solveig räusperte sich, und ich glaubte förmlich zu sehen, wie sie von hinten dicht an seinen Drehstuhl herantrat, sich über ihn beugte und dabei wie zufällig ihre Brust an seine Schulter drückte. »Ich war übrigens schon zwei Mal hier. Gestern Abend und vorgestern Abend. Ich fing schon an, mir Sorgen zu machen. Um Luzie, meine ich. Falls mir heute wieder niemand aufgemacht hätte – ich weiß nicht, was ich dann getan hätte.«
Dafür wusste ich es umso besser. Höchstwahrscheinlich hätte sie wieder einen Schlosser bestellt. Ganz spontan, wie es ihre Art war.
»Hast du die Klingel abgestellt?«
»Ich war nicht da.« Die Lüge ging ihm glatt über die Lippen, das musste man ihm lassen.
»Das habe ich mir gedacht. Eigentlich schade. Ich hätte mich gern mit dir unterhalten.«
»Das tust du ja jetzt.«
Ja, das tat sie. Wobei ihr allerdings viel lieber gewesen wäre, wenn ich noch irgendwo halb tot und regungslos herumgelegen hätte.
»Wo ist Luzie denn im Moment?«, hörte ich sie scheinheilig fragen.
»Bestimmt kommt sie gleich. Sie wollte sich nur etwas frisch machen.«
»Du hast wohl nicht oft Besuch, oder?«
Blöde Frage. Es gab ja nicht mal Stühle.
Martin ersparte sich dementsprechend die Antwort.
»Gibt es eigentlich viele, die so sind wie du und Luzie? Vampire, meine ich.«
Das war wieder ein Thema, das mich brennend interessierte. Gespannt wartete ich auf Martins Antwort.
»Hier und da trifft man sie.«
»Es sind wohl alles Einzelgänger, so wie du.« Solveig seufzte. »Fühlst du dich nicht manchmal sehr allein?«
Jetzt kommt’s, dachte ich wutentbrannt. Sie machte ihn nach allen Regeln der Kunst an!
»Möchtest du, dass ich dich noch einmal beiße?«, fragte Martin mit seidenweicher Stimme. Beim Klang dieses schmelzenden Timbres breitete sich irgendwo in meinen tiefer gelegenen Körperzonen Hitze aus, die sich binnen Augenblicken in einen wahren Hochofen verwandelte.
Oh, ja, beiß mich noch mal, dachte ich benommen.
»Oh, ja, beiß mich noch mal«, sagte Solveig benommen.
»So wie damals?« Das war Martin, sanft und gütig.
»Nein, so wie bei Luzie!«, rief Solveig
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