Beiss mich - Roman
gesagt? Es war mir entfallen.
Doch es traf in allen Punkten zu.
Es machte mich verrückt. Er hatte Solveig gebissen und es genossen, und kaum eine Stunde später hatte er sich mit mir in verzehrender Leidenschaft im Bett gewälzt.
Zugegeben, ich hatte den besseren Teil von ihm erwischt, denn er hatte mir sozusagen alles gegeben, was er hatte, einschließlich dem heißesten Sex, den ich je erlebt hatte, doch was half mir das jetzt? Wenn ich nicht zufällig wie eine Verrückte vor der Tür zur Dachterrasse herumgeschrien und ihn abgelenkt hätte, wäre er vielleicht später in der Nacht zu Solveig ins Bett gekrochen statt zu mir.
So oder so, es fraß an mir. Allein die Entscheidung, auf wen ich wütender sein sollte, auf ihn oder auf sie, kostete ziemlich viel Kraft, ohne dass ich dabei zu einem Ergebnis gekommen wäre.
Ich schob die unerfreulichen Gedanken beiseite, denn unvermittelt wurde mir noch etwas anderes bewusst: In einer eigentümlichen Gefühlsmischung aus Genugtuung und Mitleid ging mir auf, dass auch Martin nur ein Mensch war, genauer gesagt ein Mann, und zwar einer mit normalen männlichen Bedürfnissen. Er sehnte sich nach weiblicher Nähe, nach zärtlicher Zuwendung, nach liebevoller Anerkennung und sanfter
Fürsorge, doch die Einschränkungen seines Vampirseins brachten es zwangsläufig mit sich, dass er sich diese Bedürfnisse, wenn überhaupt jemals, nur sehr selten erfüllen konnte.
Und jetzt hatte er zu allem Überfluss eine Xanthippe wie mich am Hals. Wider Willen musste ich grinsen, während ich oben hinter der Galerie auf der Suche nach dem Bad eine Tür nach der anderen öffnete. Wenn er sich ein friedlich säuselndes Weibchen erhofft hatte, das ihm nach dem Aufwachen die Pantoffeln an den Sarg holte oder ihm ein Tässchen Blut an den PC brachte, hatte er wirklich den absoluten Fehlgriff getan.
Hinter den Türen, die ich bisher geöffnet hatte, fanden sich nur leere Zimmer. Der Staub war allgegenwärtig. Das Haus sah aus, als sei hier seit Monaten nicht sauber gemacht worden. Putzen war anscheinend nicht seine Stärke.
Der Grund dafür, dass er ein Haus von dieser Größe bewohnte, obwohl er es doch nur in so eingeschränktem Umfang nutzte, lag natürlich auf der Hand. Es war der gruftartige Keller, auf den er solchen Wert legte. Dasselbe Haus hätte ich für mich auch gewählt, wenn ich nur über die nötigen Mittel verfügt hätte. Und vermutlich hätte ich ebenso aus dem Koffer gelebt wie er, ohne viele überflüssige Besitztümer, die bei den vielen Umzügen nur im Weg waren und die nicht ohne fremde Hilfe transportiert werden konnten. Na ja, einen Fernseher würde ich mir wahrscheinlich schon zulegen. Und einen anständigen Sessel zum Abhängen.
Ich fragte mich, wie er sein Geld verdiente. Ob er an der Börse spekulierte? Oder eine große Erbschaft gemacht hatte? Vielleicht nutzte er seine Zaubertricks nicht nur zum Knacken von Blutbanken, sondern raubte auch richtige Banken aus. Vorausgesetzt natürlich, er fand eine mit langen Öffnungszeiten.
Bevor jemand mitbekam, dass er überhaupt da war, war er auch schon wieder weg. Sehr praktisch. Ich beneidete ihn stumm, aber heftig und überlegte dabei wehmütig, dass zwanzig oder dreißig Jahre doch eine sehr lange Zeit waren.
Hinter der sechsten Tür fand ich endlich das Bad. Ich pfiff lautlos durch die Zähne, denn ich hatte noch nie ein so schönes Badezimmer betreten. Es stammte wie das Haus selbst aus der Gründerzeit und war fast vollständig im Original erhalten. Die Badewanne stand auf Klauenfüßen, welche die Form von Löwenköpfen aufwiesen, und die Armaturen waren anmutig geschwungene Antiquitäten mit beachtlicher Goldauflage.
Waschbecken und WC bestanden aus rosa geädertem Marmor, und der Fußboden war im Stil römischer Mosaike verlegt, mit abertausend glitzernden bunten Steinchen. Die Wand über dem Waschbecken wurde beherrscht von einem prachtvollen Spiegel mit den bezauberndsten Jugendstilornamenten, die ich je gesehen hatte.
In diesem Palast von Bad gab es auch eher profane Gebrauchsgegenstände, etwa ein Rattanregal mit weißen Handtüchern, eine Schale mit Shampoo, Duschgel und Seife am Wannenrand sowie ein Arrangement aus Zahnputzbecher, Rasierzubehör, Deo, Nageletui, Föhn und Kamm auf der Ablage über dem Waschbecken.
Ich riss mir sofort die Sachen vom Leib, schleuderte sie in eine Ecke und stieg in die Wanne. Das Wasser kam in prasselndem Strahl und war herrlich warm.
Nach einer ausgiebigen Badeorgie,
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