Beiss mich - Roman
damit sind wir wohl beim zentralen Thema!«
»Allerdings! Du ahnst ja gar nicht, was du damit angerichtet hast!«
Er fuhr sich mit einer unwilligen Geste durchs Haar. »Das musst du mir nicht unter die Nase reiben. Ich mache mir deswegen schon genug Vorwürfe. Himmel, ich weiß selbst, dass ich es nicht hätte tun dürfen! Es war eine Augenblickslaune! Manchmal wird auch unsereins von Leichtsinn und Übermut gepackt!«
»Natürlich«, erwiderte ich mit ätzendem Tonfall. »Außerdem wollte sie es doch, nicht wahr? Warum solltest du ihr da nicht den Gefallen tun?«
»Ja, sie wollte es!«, rief er zornig aus. »Sie hat mir zwar nicht den Befehl dazu ins Ohr posaunt wie du, aber ihr Verlangen danach habe ich trotzdem gespürt!«
»Oh, du … du perfider … steinalter … Bock!«, zischte ich.
Er reagierte mit kühler Gelassenheit. »Es bleibt dir unbenommen, das so zu sehen. Für mich war es einfach eine stillschweigende Übereinkunft, aus der wir beide unser Vergnügen gezogen haben. Keiner hatte einen Schaden davon, und ich hätte sie nie wiedergesehen.«
»Genau wie sonst auch, wenn du die Frauen zum Abschied mal kurz in den Hals beißt, hm?«
Er lächelte maliziös. »Du beschreibst das sehr treffend. Frauen haben im Allgemeinen ein lustvoll-ambivalentes Verhältnis zum Vampirbiss, auch bei so steinalten Kerlen wie mir. Das verschafft mir bisweilen die Gelegenheit zu einem kleinen, aber schmackhaften Imbiss, und für die Frauen ist es ein ungemein erregendes, zutiefst verbotenes Abenteuer, über das sie gewiss mit niemandem sprechen.«
Das Knirschen meiner Zähne dröhnte mir in den Ohren. »War ich das auch für dich? Ein schmackhafter kleiner Imbiss?«
»Du warst ein richtiger Leckerbissen. Eine seltene Delikatesse.« Er zwinkerte mir kurz zu. »Obwohl du im Moment durchaus eine Dusche vertragen könntest. Wenn du nach oben gehst, findest du im Bad alles, was du brauchst.« Dann beugte er sich ungerührt wieder über die Tastatur.
Am liebsten hätte ich den Stecker seines Akkukabels aus der Wand gerissen, den Laptop zusammengeklappt und ihm das blöde Ding auf dem Schädel zertrümmert.
Wütend ballte ich die Hände zu Fäusten, wobei sich meine Fingernägel in die empfindlichen Handballen bohrten. Ein Großteil meines Zorns verrauchte auf der Stelle. Ich betrachtete meine Finger. Igitt, wie sie aussahen! Die Nägel waren in den wenigen Tagen abnorm lang geworden! Wie beim Struwwelpeter! Ich brauchte dringend eine Maniküre. Und eine Pediküre auch.
Überhaupt merkte ich erst jetzt, wie heruntergekommen ich war.
Martin hatte, der Teufel sollte seine schwarze Seele holen, unbestreitbar recht mit der Dusche. Die Ausdünstungen meines Körpers stiegen mir plötzlich unangenehm in die Nase. Die viel zu große Jogginghose hing klamm zwischen meinen Schenkeln, immer noch feucht von dem Urin, den ich vorhin in meiner Zombiepanik nicht hatte halten können. Es stank widerwärtig. Und der Rest von mir roch wie ein alter Putzlumpen, mit dem jemand ein Schlachthaus aufgewischt hatte. Meine Haare starrten immer noch von Schnabelnases getrocknetem Blut, und auch unter meinen Nägeln klebte einiges davon. Die Kleidung, die ich trug, war von meinem eigenen Blut befleckt. Unter meinen Armen und zwischen meinen Beinen juckte es von altem Schweiß, und meine nackten Füße waren schwarz von dem Staub, der überall im Haus reichlich herumlag.
Wortlos wandte ich mich ab, um nach oben zu gehen. Bevor ich das Zimmer verließ, schaute ich kurz zurück. Er war mir mit den Augen gefolgt. Seine Blicke ruhten mit solch unverhüllter, verzweifelter Sehnsucht auf mir, dass ich am liebsten zurückgerannt wäre und die Arme um ihn geworfen hätte. Doch da war auch ein leises, irritierendes Flackern, das mich daran hinderte, ein Ausdruck, der mir vorkam wie eine dunkle Drohung, dass ich mich nur ja vorsehen solle.
17. Kapitel
M it durchgedrückten Schultern ging ich weiter zur Treppe, die in elegantem Bogen hinauf zur Galerie des Obergeschosses führte. Während ich die Stufen hinaufstapfte, ergründete ich meine widersprüchlichen Empfindungen. Zu meiner Rechtfertigung kann ich sagen, dass ich sofort zum Kern des wilden Aufruhrs in meinem Inneren vorstieß. Es gab nichts daran zu deuteln, nichts zu beschönigen und nichts zu leugnen, und deshalb gestand ich es mir auch ohne Umschweife ein: Ich war von rasender Eifersucht zerfressen.
O ja, Eifersucht ist eine Kraft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.
Wer hatte das
Weitere Kostenlose Bücher