Beiß mich, wenn du dich traust

spielt eigentlich keine Rolle«, erklärt er mit einer abschätzigen Handbewegung. »Was zählt, ist das, was wir daraus machen. Eine Kreatur mit der Macht eines Vampirs und der Macht des Elfenvolks, beide Erbdaten verbunden zu einer wunderbaren, brandneuen DNA-Kette. Ein Mischling mit unvorstellbarem Potenzial.«
    »Aber …« Ich kapier das alles immer noch nicht.
    »Wozu sollte Slayer Inc. einen … Elfenvampir brauchen?« (Ich weigere mich, seinen bescheu-erten Ausdruck zu gebrauchen.) Er blickt überrascht auf mich herunter. »Nun, meine Liebe, sie brauchen nicht einen Elfenvampir. Sie brauchen eine ganze Armee davon.«
    Eine Armee? »Aber warum ...« Meine Stimme versagt, als mir plötzlich klar wird, warum. »Ihr wollt die Zweitwelt erobern«, rufe ich fassungslos aus. »Das habt ihr schon die ganze Zeit geplant!«
    »Eine Eins mit Sternchen für diese Erkenntnis!«
    Ich drehe den Kopf und sehe Direktorin Roberta hereinkommen. Sie schließt die schwere Metalltür hinter sich, tritt an mein Bett und blickt mit selbstzufriedenem Grinsen auf mich herab. Dann greift sie nach etwas, von dem ich annehme, dass es meine Patientenkarte ist, und studiert sie aufmerksam.
    »Aber warum?«, frage ich wieder. »Seid ihr von Slayer Inc. nicht angeblich die Guten?«
    »Also bitte. Sie glauben doch nicht, dass wir uns auf Dauer damit zufriedengeben, die Polizei-truppe zu spielen?«, entgegnet sie hochmütig.
    »Immer nur diesen ganzen undankbaren Vampiren und selbstsüchtigen Elfen dienen und sie beschützen?« Sie schüttelt angewidert den Kopf. »Wir müssen uns schließlich auch weiter-entwickeln«, fährt sie fort. »Und sobald wir unsere Herrenrasse von Alpha-Vamshee-Jägern erschaffen haben, werden wir an der Spitze der Nahrungskette stehen. Zum ersten Mal in der Geschichte wird Slayer Inc. die Instanz sein, die das Sagen hat.«
    Sie stößt ein lautes wieherndes Lachen aus und mir wird ganz kalt vor Angst. Das ist alles überhaupt nicht gut. Slayer Inc. hat bereits viel zu viel Macht - auf keinen Fall dürfen wir zulassen, dass sie jetzt auch noch versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Ich muss das Vampirkonsor-tiumwarnen, bevor es zu spät ist. Aber wie? Ich meine, sehen wir den Tatsachen ins Auge. Sie haben mich in ihren teuflisch Plan eingeweiht, was aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutet, dass sie nicht beabsichtigen, mich hier lebend raus-spazieren zu lassen.
    Okay, klar, in Filmen ist das für gewöhnlich der entscheidende Fehler der Bösen; sie verraten ihren ganzen üblen Plan, um dann am Schluss erleben zu müssen, wie ihre Geisel im letzten Augenblick eine James-Bond-Nummer hinlegt und gerade noch rechtzeitig entkommt. Dummer-weise bin ich jedoch weit entfernt davon, James Bond zu sein, und habe nicht die geringste Ahnung, wie mir eine coole, thrillermäßige Flucht gelingen könnte.
    Also beschließe ich, dass es für den Augenblick am klügsten ist, sie einfach reden zu lassen.
    Zumindest, bis mir was Besseres einfällt. »Darum geht es also in Achtal eigentlich«, stelle ich voller Abscheu fest. »All die Kids, die hier ausgebildet werden, sind nur Fassade für Ihre ...
    Expermiente?«
    »Natürlich nicht«, antwortet Direktorin Roberta und wirkt leicht gekränkt. »Achtal bildet tatsächlich Jäger aus und das schon lange, bevor an Sie überhaupt zu denken war. Sogar Ihre Stiefmutter war als junges Mädchen hier.« Sie zuckt mit den Achseln und fährt fort: »Die meisten unserer auszubildenden Jägerinnen und Jäger werden ihren Abschluss machen und normale Aufträge übertragen bekommen,ohne je etwas von den Aktivitäten in diesem Gebäude zu erfahren. Nur einige Auserwählte - die besten und die klügsten – werden ihr Training nach dem Abschluss fort-setzen und in unserer Nachtakademie-Programm aufgenommen werden.«
    Ich schnappe nach Luft. Die Nachtakademie. Die Alphas. Corbin.
    »Okay, nur damit ich das hier richtig verstehe«, sage ich. »Sie erzählen allen Alphas, dass sie an einem streng geheimen, supertollen Ausbildungs-programm teilnehmen dürfen, durch das sie zu Geheimagenten mit der Lizenz zum Pfählen werden. Doch stattdessen verwandeln Sie diese Schüler in genau die Wesen, die sie verab-scheuen, um sie dann als Schachfiguren in Ihrer Slayer-Inc.-Revolte zu benutzen?«
    Direktorin Roberta kneift die Augen zusammen.
    »Es ist eine große Ehre, auserwählt zu werden«, faucht sie. »Diese Alphas werden die Zukunft unserer Welt mitgestalten.«
    Ich möchte sie in ihrer