Beiß mich, wenn du dich traust
Filme wie Cinderella . Und jetzt erwarten alle, dass eine gute Fee wie eine rundliche alte Dame ohne Modegeschmack aussehen muss. Einfach lächerlich.« Sie seufzt. »Unsere Gewerkschaft hat eine Weile versucht die da oben zu beeinflussen.
Wir haben sogar eine richtige PR-Kampagne gestartet, um den Leuten zu beweisen, dass es gute Feen in allen Formen und Größen gibt. Aber das hat uns niemand abgekauft.«
»Nein?«
»Na ja, man muss das Ganze realistisch betrach-ten. Wenn du als dicke alte Omi mit einem Zauberstab durch irgendjemandes Schlafzimmer-fenster schwebst und anbietest, Wünsche zu erfüllen - dann bist du herzlich willkommen.
Tauchst du aber als knackiges junges Ding im schicken Armani-Dress auf, rufen die Leute die Polizei, bevor du Abrakadabra sagen kannst.«
»Hm, verstehe.«
»Also mussten wir uns irgendwann von Glenda, der guten Hexe des Nordens, über den gelben Ziegelsteinweg zum Zauberer von Oz führen lassen, damit er uns alt macht und wir dem Massengeschmack entsprechen.«
»Der Zauberer von Oz?«, echoe ich. Diese Geschichte wird immer verrückter. »Aber ich dachte, der wäre nur erfunden.«
»Das sollte Dorothy natürlich glauben ...«, erwi-dert die gute Fee mit einem übertriebenen Zwinkern.
Fix und fertig lehne ich mich auf meinem Platz zurück und versuche, ein wenig Ordnung in mein Gehirn zu bringen.
»Wie dem auch sei, wenn man über die Verwand-lung in eine uralte Tante hinwegkommen kann, ist es wirklich kein schlechter Job, eine gute Fee zu sein«, fährt sie fort. »Wir können unheimlich viel reisen und unseren Schützlingen zu Dingen wie Designerkleidern, Eintrittskarten für die größten Glamour-Bälle oder coolen Transportmitteln verhelfen ...«
»Oh, wie die aus Kürbis gemachte Kutsche!«, rufe ich aus.
Sie sieht mich belustigt an. »Ja, wenn wir noch im Mittelalter leben würden!«, bemerkt sie sarkastisch. »Heutzutage ist es eher ein aus Melonen gemachter Mercedes, fürchte ich.«
Natürlich, was sonst.
»Also, dann können Sie mir tatsächlich helfen?«, frage ich hoffnungsvoll. »Kann ich Ihr Aschenputtel sein? Ich muss nach Tir Na Nog und meine Schwester finden.«
Sie sieht auf ihre Armbanduhr. Eine Rolex, falls ihr es genau wissen wollt. »Ich muss in einer Stunde ein Flugzeug kriegen«, überlegt sie laut.
»So ein Dienstmädchen in Slowenien hofft darauf, sich bei einem königlichen Empfang heute Abend an den Premierminister ranmachen zu können.« Sie tippt sich mit einem Finger ans Kinn. »Aber ich denke, ich kann dir zumindest den Weg beschreiben. Und wie wäre es es mit einem Lamborghini aus Limonen?« Sie stockt, dann fügt sie hinzu: »Sieh nur zu, dass du ihn bis Mitternacht zurückbringst, sonst könnte es … zu ernsthaften Komplikationen kommen.«
Ich schneide eine Grimasse. »Nein, danke, ist schon okay«, sage ich. »Wenn Sie nichts dagegen haben, begnüge ich mich mit der Wegbeschreibung.«
Sie holt einen MAC-Lippenstift aus ihrer Chanel-Tasche und zeichnet damit eine winzig kleine Karte auf eine Serviette. »Die meisten Leute denken, Tir Na Nog sei eine Insel«, erklärt sie.
»Aber tatsächlich befindet es sich hier auf dem Festland. Nur eben an einem anderen >Hier<.«
»Okay. Und es gibt irgendeinen geheimen Trick, um den Vorhang zwischen den Welten zu teilen?«
Sie sieht auf. »Deine Eltern haben dir aber auch gar nichts beigebracht, was?«
Ich schüttele den Kopf.
»Schon gut. Schließlich wäre ich arbeitslos, wenn es keine versagenden Eltern gäbe.« Sie wedelt mit der Hand und murmelt etwas und einen Moment später flattert ein kleines Stück Perga-ment auf den Tisch. Ich greife eifrig danach.
»Ist das die Wegbeschreibung?« Mit zusammen-gekniffenen Augen betrachte ich den Zettel.
»Neinnein. Ich habe nicht die Zeit, ein ganzes Gedicht aus dem Handgelenk zu schütteln. Das ist nur die URL für den Zugangscode zum Elfenreich. Druck dir einfach die Zaubersprüche aus und mach dich auf den Weg hierhin.« Sie presst einen Finger auf die Karte. »Der Rest kommt dann von allein, da du ja schließlich eine Sidhe bist.« Sie lächelt mich an. »Bist du dir sicher, dass du den Limonen-Lamborghini nicht willst? Oder vielleicht einen Ferrari aus Frank-furter Würstchen?«
Die Versuchung ist groß, aber ich schüttele den Kopf. »Schon gut«, sage ich. »Danke. Sie waren sehr hilfsbereit.«
»Viel Glück«, sagt sie. »Grüß deine Schwester von mir.« Damit steht sie auf.
»Moment mal - Sie sind Sunny persönlich begegnet?«,
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