Beiß mich, wenn du dich traust
bereit. Vor unserem Aufbruch bin ich in das Büro unserer Pension gegangen, um mir die Website anzusehen, auf die meine gute Fee mich verwiesen hat. Es hat ewig gedauert, sie auf dem uralten Computer ohne DSL aufzurufen, aber zu guter Letzt konnte ich eine Kopie von »Elfenland für Anfänger« auf die Festplatte herunterladen. Nachdem ich den Text kurz überflogen hatte (während Magnus draußen die ganze Zeit ungeduldig auf die Hupe drückte!), entdeckte ich die für uns relevante Passage, druckte sie aus und lief zu den anderen Vampiren in dem wartenden Mietwagen zurück. (Ein winziger Mini Cooper, bei dessen Anblick ich wünschte, ich wäre auf das Limonen-Lambor-ghini-Angebot der guten Fee eingegangen.) Und jetzt, nach einer etwa einstündigen Fahrt über holprige Landstraßen, durch grüne, mit weißen, flauschigen Schafen und behaglichen kleinen Cottages übersäte Felder, sind wir hier und ich mache mich für meine Aufgabe bereit.
Wie ihr euch vorstellen könnt, bin ich ziemlich nervös und die Befürchtung, dass diese Sache nicht funktionieren wird. Erstens, weil es schon etwas gewagt ist, sich auf die Angaben einer alten Dame zu verlassen, die behauptet, eine gute Fee zu sein. Und zweitens, weil wir keinen Plan B
haben. Sunnys Leben hängt damit gerade ziemlich am seidenen Faden.
Ich lese mir die Anweisungen noch einmal durch, nur um sicherzugehen, dass ich sie auch richtig verstanden habe. Es scheint alles so einfach zu sein. Beinahe zu einfach ...
»Worauf wartest du, Goth-Girl? Auf Hallo-ween ?«, unterbricht Magnus meine Grübeleien.
»Lass uns loslegen.«
Ich will etwas Pampiges erwidern, beschließe dann aber, besser den Mund zu halten. Schließ-
lich macht auch Magnus sich Sorgen um Sunny.
Und er hasst es, keine Kontrolle über die Dinge zu haben. Oder einem Mädchen vertrauen zu müssen, das in der Vergangenheit schon häufiger Mist gebaut hat Wahrscheinlich traut er mir nicht zu, dass ich uns hier voranbringe.
Okay, ich bin bereit, ihm das Gegenteil zu beweisen. Ich lege meine Anleitung beiseite, trete an den Rand der Klippe und hebe die Hände hoch übers Meer. Na dann wollen wir mal: »Sternenlicht, Sternenpracht, erster Stern, der scheint heut Nacht.
Könnt ich doch, würd ich doch, war mein Wunsch erfüllt heut Nacht.«
Tja, das ist das Gedicht. Die geheimen Worte, die eine Tür ins Elfenreich öffnen sollen, wenn sie von jemandem mit Elfenblut gesprochen werden.
Komisch, ich habe sie schon als kleines Kind ständig vor mich hin gemurmelt. Vielleicht habe ich schon damals die ganze Zeit Türen geöffnet und geschlossen, ohne es zu merken?
Vorsichtig mache ich die Augen auf und sehe mich um. Hm. Kein Portal, kein schimmernder, funkelnder Pfad in eine andere Dimension ist auf magische Weise vor uns aufgetaucht. Ehrlich gesagt sieht alles um mich herum genauso aus wie vorher. Ich drehe mich zu den Vampiren um, die abwartend dastehen und mich ungeduldig ansehen.
»Na?«, fragt Magnus mit einem Knurren in der Stimme.
»Äh, keine Ahnung. Das hätte eigentlich funktionieren sollen.« Enttäuschung macht sich in mir breit, während ich noch mal einen Blick auf meinen Spickzettel werfe. Habe ich etwas falsch gemacht? »Wo sind meine Zettel?«, frage ich, weil ich nicht sehe, wo ich sie hingelegt habe.
»Die da?«, fragt Francis und hält einige Blätter hoch. »Der Wind hätte sie beinahe weggeweht, also habe ich sie mir geschnappt.« Er gibt sie mir und ich überfliege erneut den Text. Auf dem Papier wirkt es so einfach. Tritt an den Rand der Klippe, hebe die Hände, sage den Vers auf und ...
Oh, Mist.
»War da ... nicht noch ein Blatt Papier?«, frage ich Francis leise, damit Magnus es nicht mitbe-kommt. Er wird mich umbringen. Diesmal wirklich.
»Nö.« Francis sieht sich um. »Ich glaube nicht.
Es sei denn, es wäre davongeweht, bevor ich die anderen zu fassen bekommen habe?«
Oder ich habe es im Drucker der Pension liegen lassen. So oder so, mir fehlt eine Seite. Wahrscheinlich die entscheidende Seite...
»Versuch es noch mal«, drängt Jareth, der von meiner Notlage nichts mitbekommen hat.
Also gut. Ich meine, warum auch nicht? Ich stelle mich an den Rand der Klippe, hebe die Hände und sage den blöden Vers noch mal auf. Aber natürlich passiert wieder rein gar nichts. Was auch immer der fehlende letzte Schritt ist, ohne ihn wird sich die Tür nicht öffnen. Und wir sind eine Stunde von der Stadt entfernt. Das bedeutet zwei weitere Stunden verschwendete Zeit, wenn wir in
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