Beiß mich, wenn du dich traust
die Pension zurück-und wieder hierher-fahren müssen. Zwei Stunden, in denen Sunny zum Beispiel mit jemand anderem verheiratet werden könnte.
»Vielleicht musst du noch etwas anderes machen?«, fragt Jareth in dem Bemühen zu helfen. Wieder einmal wünschte ich, ich wäre mit ihm durch Vampirtelepathie verbunden, um mitteilen zu können, was los ist, ohne dass der Meister etwas davon merkt. »Einen weiteren Schritt?«
»Vielleicht musst du irgendwelche Handbewe-gungen dazu machen oder so?«, schlägt Magnus weniger hilfreich vor. Oder einen kleinen Elfentanz aufführen?«
»Ich weiß es nicht, okay?«, rufe ich entnervt.
Warum hab ich nicht mehr aufgepasst? Warum habe ich mir die Notizen nicht gründlicher ange-sehen, bevor ich aufgebrochen bin? Ich bin so ein leichtsinniger Idiot. Jetzt wird Sunny für immer im Elfenland festsitzen und alles ist meine Schuld. »Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll.
Aber . . .«
Plötzlich zuckt am Himmel ein Blitz auf.
Erschrocken weiche ich ein Stück zurück. Ein hell leuchtender, funkelnder Stern hängt plötzlich hoch oben am Himmel. Es scheint, als würde er mir kurz zuzwinkern, bevor er wieder verblasst.
Auf einmal geht mir im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht auf.
Jetzt weiß ich genau, wie man das Portal zu Elfenreich öffnet.
Ich gehe wieder zum Rand der Klippe und mache einen Schritt ins Leere.
»Rayne! Was tust du .. .?«
Ein lautes, kratzendes Geräusch - wie das von Kufen auf Eis - schneidet Jareth das Wort ab.
Nebel wabert auf die Küstenlinie zu und steigt schnell die Klippe hinauf, erreicht die Stelle, wo ich schwebe, und bildet eine Wolkentreppe unter meinen Füßen.
Sehr hübsch.
Ich drehe mich zu den Vampiren um, die, wie ich zufrieden bemerke, mit offenem Mund dastehen.
»Wie hast du ...?«, fragt Magnus.
»Ganz einfach. Ich habe den Stern gesehen und mir was gewünscht«, antworte ich und trete auf die Wolkentreppe. Sie ist weich und ein wenig klebrig, wie Marshmallows, aber trotzdem stabil und ich bin sicher, sie wird uns alle tragen.
»Das funktioniert hier scheinbar wie im Märchen.
Ist ja schließlich auch das Elfenreich«, füge ich hinzu. »Von jetzt an gelten die Regeln aus dem Märchenbuch.«
Die Vampire schütteln verwundert den Kopf, aber nach einigen zaghaften Schritten folgen sie mir die Treppe hinauf. Oben angekommen erreichen wir eine Tür, die in einen langen, dunklen, staubigen Flur führt. Anscheinend wird dieser Zugang nicht allzu oft benutzt. Wir gehen hindurch und den Gang entlang, bis wir vor einer riesigen Flügeltür stehen, die sogar einen Mes-singklopfer hat. Ich will sofort damit anklopfen, beschließe dann aber, erst mal auszuprobieren, ob die Tür nicht auch von allein aufgeht. Meine Hand greift nach der Türklinke, die Flügel öffnen sich und geben den Blick ins Elfenreich frei. Es ist...
... Disneyland?
26
Erstaunt taumele ich ein paar Schritte rückwärts.
Wir scheinen tatsächlich nicht mehr in Irland zu sein, sondern in einem zweiten Orlando, Florida, und stehen vor dem Eingang zu Disneyland. Am Hang das gleiche Blumenbeet in Form von Mickey Mouse, der gleiche Nostalgiebahnhof auf einer Brücke darüber. Die gleichen drei Millionen herumschlendernden Touristen.
Nur dass die Touristen hier neben ihren falschen Mausohren auch alle ein Paar Flügel tragen.
»Wow.« Jareth stößt einen leisen Pfiff aus. »Man hört ja immer wieder, die Märchen heutzutage seien viel zu sehr von Disney beeinflusst. Aber das hier ist echt der Hammer.«
Die anderen Vampire nicken zustimmend, alle sind genauso sprachlos wie ich.
»Na ja, wenigstens werden wir uns zurecht-finden«, stelle ich fest. »Ich war schon zwölf Mal in Disney World. Wir sind jeden Sommer hinge-gangen, wenn wir Grandma besucht haben.«
Dabei fällt mir wieder ein, dass die liebe alte Dame in Florida ja gar nicht meine echte Groß-
mutter ist. Sondern nur eine Schauspielerin, die meine Eltern für die Rolle engagiert haben.
Unsere echte Großmutter, der wir nie begegnet sind, ist vor nicht allzu langer Zeit in genau diesem Zauberland einem Attentat zum Opfer gefallen,
Ich schaudere, plötzlich finde ich das alles eher gruselig als schön.
»Kann man es wagen, dort rauszugehen?«, fragt Francis besorgt. »Scheint ziemlich sonnig zu sein.« Erst da fällt mir auf, dass alle Vampire außer Jareth und mir sich gegen die Wand des Gangs drücken, um den Sonnenstrahlen aus-zuweichen, die von draußen hereinfallen.
Magnus streckt versuchsweise die
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