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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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ich se­hen konn­te, ent­deck­te ich da Pur­pur­rot und das Grün, das Gold, das Strah­len blü­hen­der Pflan­zen – kei­ne Sei­de oder Glas oder Sa­tin­stahl, son­dern le­ben­de Fe­dern, ein Grün, das at­me­te. Auch ich at­me­te, tief und lang­sam, weil die­ses Wach­sen mein Le­ben ge­ret­tet hat­te, mir in ei­ner Nacht voll Wun­der und Sil­ber all den Sau­er­stoff ge­schenkt hat­te, nach dem sich mei­ne Lun­gen sehn­ten.
    Ich ging vor­wärts, zu­erst ner­vös vor Angst, auf die­sen le­ben­di­gen Tep­pich zu tre­ten, aber über­all um mich her­um rann­ten klei­ne Tie­re um­her, hüpf­ten und ju­bi­lier­ten in die­sem Wachs­tum. In der Fer­ne sah ich ei­ne Grup­pe von Ski­fü­ßen, die einen selt­sa­men, fast furcht­ba­ren Tanz voll Fremd­heit und pri­mi­ti­ver Freu­de tanz­ten. Plötz­lich war ich ein Teil da­von. Ich in mei­nem Mensch­sein, Jang­s­ein, als Stadt­we­sen. Ich riß mir die lä­cher­li­chen Ket­ten und durch­sich­ti­gen Klei­der, die Ohr­rin­ge und den Schmuck her­un­ter. Ich hät­te jetzt ech­te Blu­men in mein Haar flech­ten kön­nen, aber ich konn­te es nicht übers Herz brin­gen, sie zu pflücken. Au­ßer­dem war mein Haar ein schar­lach­ro­ter Pelz, und ich tanz­te und lief und lach­te und sang mit den ver­rück­ten klei­nen Tie­ren mit­ten in die­ser Herr­lich­keit der er­wach­ten Na­tur; es war jetzt so heiß, daß ich wie­der völ­lig tro­cken war.
    Dann fand ich das Tier­chen.
    Es sprang mich aus dem Gras an wie ei­ne rei­ne, hel­le Blü­te.
    Ich kann mich kaum an das La­chen und Lau­fen, das Spie­len und Tan­zen er­in­nern, aber ich er­in­ne­re mich gut an das Glücks­ge­fühl, ein Glücks­ge­fühl wie ei­ne Wun­de, aus der das Le­ben tropft.
    Wir lie­fen Sei­te an Sei­te, das Tier­chen und ich, und ich ha­be nie ei­ne solch en­ge Ver­bun­den­heit mit ei­nem An­ge­hö­ri­gen mei­ner Ras­se er­lebt wie mit dem wei­ßen Tier, das ich in ei­nem La­den in Vier BEE aus ei­nem zu­fäl­li­gen neu­ro­ti­schen Be­dürf­nis her­aus ge­stoh­len hat­te.
    Als wir ein­mal im Gras la­gen, sag­te ich zu ihm: „Du mußt einen Na­men ha­ben, nein, nein, du mußt. Du bist ei­ne Per­sön­lich­keit, ge­nau wie ich, ein le­ben­des We­sen.“ Und ich nann­te das Tier­chen Don­ner­blu­me, we­gen der Blu­men um uns her, die aus Re­gen, Blitz und Don­ner ent­stan­den wa­ren, und dann rann­ten wir wei­ter.
    Wie ein­fach hät­te al­les sein kön­nen, wenn wir nie­mals den Weg zu­rück zum Schiff ge­fun­den hät­ten. Aber wir fan­den ihn. Ich be­merk­te kaum die leich­te Ver­traut­heit der Land­schaft. Die Fels­ter­ras­sen leuch­te­ten nun im ro­ten Däm­mer­licht vor Blu­men.
    Wir lie­fen Sei­te an Sei­te wei­ter. Manch­mal war ich ein Stück vor­aus, knie­tief im Dü­nen­gras, manch­mal das Tier­chen, des­sen Kopf kaum über das Gras schau­te, sein Fell leuch­te­te im Nach­schein des Son­nen­un­ter­gangs ro­sa. Dann war es vor mir, und ich sah es sehr hoch sprin­gen, weit über das Gras hin­aus, dann fiel es zu­rück und er­schi­en nicht wie­der. Dann sah ich das Schim­mern in der Luft.
    „Oh nein!“ rief ich hin­aus in die Wüs­te und zum Him­mel. „Oh nein, oh nein, oh nein, oh nein!“ Und ich lief wei­ter und warf mich ge­gen die Schock­wand, die As­su­le er­rich­tet hat­te, um Un­heil ab­zu­wen­den.
    Ja, es ist schon ein merk­wür­di­ges Ge­fühl, ein Zit­tern glü­hen­der Ek­sta­se von Kopf bis Fuß, wie kurz vor dem Hö­he­punkt ei­ner Lie­bes­ma­schi­ne, aber ich war fast be­täubt, als die Ro­bo­ter ka­men und mich auf­ho­ben.
    Das Tier­chen war na­tür­lich tot.
8

    As­su­le er­klär­te mir wie­der und wie­der, was für ein Idi­ot ich war.
    „Ich ha­be Sie doch vor der Schock­wand ge­warnt“, rief er. „Sie hät­ten sehr viel erns­te­re Ver­let­zun­gen da­von­tra­gen kön­nen.“
    Er er­wähn­te das Tier­chen nicht. Er er­wähn­te, daß je­des Leid, das mir zu­ge­sto­ßen war, mei­ne ei­ge­ne Schuld war, weil ich so über­stürzt da­von­ge­lau­fen war. Ich lag ein­fach nur in mei­ner Ka­bi­ne, sah ihn an und sag­te ab und zu: „Hal­ten Sie doch den Mund.“ Die Frau­en lun­ger­ten in der Tür her­um und schnat­ter­ten, wie schänd­lich es sei, daß ich fast

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