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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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nackt auf­ge­fun­den wor­den war und wo über­haupt all mei­ne Ket­ten und durch­sich­ti­gen Klei­der ge­blie­ben wa­ren?
    Als sie sich end­lich et­was ver­zo­gen hat­ten, brach­te ich einen der Ro­bo­ter da­zu, mir den schlaf­fen, pel­zi­gen, wei­ßen Kör­per des Tier­chens zu brin­gen. Ich starr­te in sei­ne gla­si­gen oran­ge­far­be­nen Au­gen. Es sah im Tod so glück­lich aus.
    „Ich möch­te ein Flug­zeug zu­rück in die Stadt“, sag­te ich zu dem Glar . „So­fort.“
    Er war nur zu froh, mich los­zu­wer­den, al­so ließ er eins kom­men. Ich stieg ein und flog nach Hau­se, auf die ver­deck­ten Fens­ter­öff­nun­gen star­rend, das Tier­chen auf mei­nem Schoß. Es war so­wie­so nichts mehr zu se­hen. Die Wüs­te blüht nur ei­ne ein­zi­ge Nacht. Die Herr­lich­keit, durch die ich ge­lau­fen war, leb­te schon nicht mehr.
    In Vier BEE ging ich ge­ra­de­wegs nach Lim­bo.
    „Das ist mein Tier­chen“, er­klär­te ich, „es ist mir sehr wich­tig. Ge­ben Sie ihm bit­te einen neu­en Kör­per.“
    Aber das ta­ten sie nicht, ich hat­te es schon vor­her ge­ahnt. Sie ver­such­ten, mir zu er­klä­ren, wie ethisch sie wa­ren.
    „Wir kön­nen dies nicht für ein Tier tun“, sag­te sie. „Au­ßer­dem ist es schon zu lan­ge her.“ Aber das war nur ei­ne Aus­re­de. Oh, ich hof­fe, daß es ei­ne Aus­re­de war.
    So ging ich al­lein nach Hau­se. Auch dort war ich al­lein.
    Ich träum­te die gan­ze Nacht von der Wüs­te und von der Son­ne, in die ich nicht bei­ßen durf­te, und schließ­lich er­kann­te ich die Be­deu­tung, die das Sprich­wort für mich hat­te. Ich war so mü­de, daß ich es jetzt ein­ge­ste­hen konn­te. Ich hat­te es so oft und so hef­tig ver­sucht, aber es hat­te kei­nen Sinn.
    Die Son­ne. Oh ja. Die Son­ne. Ei­ne klei­ne, zer­brech­li­che Ton­scher­be hat­te mich be­siegt, aus ih­rem Nest in ei­ner Wüs­te aus Re­gen­bo­gen und aus­bre­chen­dem Feu­er her­aus. Ich wuß­te, was die Son­ne war, viel­leicht mein­ten die­se Be­rich­te das­sel­be, ich bin nicht si­cher. Die Son­ne war der vor­be­stimm­te Le­bens­weg. In mei­nem Fall war der vor­be­stimm­te Le­bens­weg Hyp­no­schu­le, Jang-Da­sein, Auf­stieg zu ei­ner Äl­te­ren Per­son, das gan­ze Le­ben un­ab­än­der­lich vor­ge­zeich­net, selbst der Tod un­er­laubt, höchs­tens ein neu­er Kör­per oder ei­ne lan­ge Ru­he­pau­se in geist­ver­dun­keln­dem Däm­mer­licht, wo­nach der Zy­klus von vorn be­ginnt und al­le Er­in­ne­run­gen an frü­her aus­ge­löscht sind. So un­ab­än­der­lich, so un­ver­meid­lich, so schreck­lich, so stumpf­sin­nig, so zur Tra­gö­die ver­dammt, daß es schon zu lä­cher­lich, zu stumpf­sin­nig und zu ver­dammt war, um über­haupt ei­ne Tra­gö­die zu sein. Ver­su­che nicht in die Son­ne zu bei­ßen, du wirst dir den Mund ver­bren­nen. Ich hat­te un­auf­hör­lich und hoff­nungs­los hin­ein­ge­bis­sen und war ver­brannt, ich war ver­brannt. Ich war nur noch ver­kohl­te Asche.
    Ich wuß­te, was mit mir ge­sch­ah und wie­der­hol­te laut: „Das Tier­chen hat mich of­fi­zi­ell aus sei­nem Kreis aus­ge­schlos­sen.“ An­schlie­ßend wuß­te ich, daß ich jetzt wei­nen durf­te, weil ich die Spiel­re­geln ein­ge­hal­ten hat­te.

TEIL FÜNF

1

    Fast ein zehn­tel Vrek lang lag ich in ei­ner Art Stumpf­sinn zu Hau­se her­um. Ich muß na­he­zu die gan­ze Zeit ge­weint ha­ben. Als ich all­mäh­lich wie­der zu mir kam, be­merk­te ich als ers­tes, wie wund mei­ne Na­se und mei­ne Au­gen wa­ren und wie ent­zün­det mei­ne Wan­gen an den Stel­len, wo die Trä­nen un­auf­hör­lich her­ab­ge­rollt wa­ren. Al­so nahm ich ei­ne mil­de Ge­sichtspa­ckung und Wat­te­bäu­sche mit ei­ner lin­dern­den Lo­ti­on für die Au­gen und sah in­ner­halb von zwan­zig Splits we­nigs­tens wie­der nor­mal aus. Dann er­tön­te die­ses Po­chen an der Vor­der­tür, ich schal­te­te das Bild an, und da stand die­ser de­ri­sann Mann, mit lan­gem, ho­nig­far­be­nem Haar und Schnurr­bart und ei­nem schö­nen, bräun­li­chen, ath­le­tisch schlan­ken Kör­per.
    „Her­gal?“ frag­te ich.
    „Ich bin es, Lie­bes“, sag­te die­se wohl­klin­gen­de Stim­me, und das „Lie­bes“ sag­te mir, daß es nie­mand

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