Beiss noch einmal mit Gefuehl
irgendetwas anderes als Dank schuldete. Dieser Liebeszauber benebelte anscheinend auch mir den Verstand.
Oder mochte ich ihn vielleicht wirklich?
Um nicht darüber nachdenken zu müssen, holte ich ein paar Bierflaschen aus dem Kühlschrank, die ich den Gästen anbieten wollte. Als ich die Tür mit dem Ellbogen schloss, stand Dominguez auf. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
Ich zeigte auf die Chipstüten. „Würden Sie die vielleicht mitnehmen?“
Als ich ins Wohnzimmer kam und die ersten drei Gäste sah, war ich mir ziemlich sicher, dass es sich um Parrishs Blutspender handelte. Einer von ihnen, ein sehr hübscher junger Mann in Jeans und Leder und mit langem rabenschwarzem Haar und leuchtenden kontaktlinsengrünen Augen, beugte sich gerade über den Sarg. „Was die zwanzig Mäuse angeht, die ich dir noch schulde ...“, glaubte ich, ihn flüstern zu hören.
Er richtete sich auf und schenkte mir ein strahlendes Zahnpasta-Lächeln, als ich ihm ein Bier anbot. „Sehr freundlich von Ihnen, Madam“, sülzte er.
„Ich bin Garnet“, sagte ich, „und das hier ist Gabriel Dominguez.“
„Adrian“, entgegnete er und taxierte Dominguez misstrauisch. „Von Bullen hat aber keiner was gesagt.“
„Dominguez ist als mein Freund hier“, erklärte ich.
Die beiden anderen, zwei Frauen mit kurzen Röcken, standen neben der Tür und musterten Sebastian mit begehrlichen Blicken. „Oh!“ Die größere von ihnen, die ganz lange rote Haare hatte, lächelte Sebastian an. „Dann sind Sie also nicht mit ihr zusammen?“
„Doch, ist er“, antwortete ich, und Sebastian sagte im selben Moment: „Doch, bin ich.“
„Schade“, murmelte sie und schlenderte zum Couchtisch, auf den Sebastian die Platten mit den Fleisch- und Gemüsehäppchen gestellt hatte. Als sie sich setzte, schlug sie die Beine auf eine Art und Weise übereinander, dass niemandem entgehen konnte, wie lang und wohlgeformt sie waren. Ich war zwar keine Expertin für weibliche Schönheit, doch ihre teuren italienischen Lederpumps beeindruckten auch mich. Mit ihrem Blazer, dem Seidentanktop und der Süßwasserperlenkette sah sie fast zu nobel und elegant aus, um eine Freundin von Parrish zu sein. Aber sie war zu seiner Totenwache gekommen.
Die andere Frau - sie hatte große blaue Augen und wirkte etwas nervös - pirschte sich an mich heran. „Entschuldigen Sie“, flüsterte sie mir zu und strich sich die kurzen blonden Locken aus ihrem blassen Sommersprossengesicht. „Parrish ... Er ist doch nicht... richtig tot, oder?“
Ich schaute unauffällig in Dominguez’ Richtung, weil ich befürchtete, dass er ihre Frage mitbekommen hatte.
Doch er schien, genau wie Sebastian, völlig fasziniert von der rothaarigen Frau auf der Couch zu sein. Sie knabberte selbstvergessen an einem Karottenstift und blätterte in einer alten In-touch- Ausgabe, die ich auf dem Beistelltisch hatte liegen lassen.
„Daniel kommt doch wieder zurück, nicht wahr?“, hakte die nervöse Blondine nach. „Vielleicht heute Abend noch?“
Die Selbstverständlichkeit, mit der sie Parrishs Vornamen benutzte, verschlug mir die Sprache. Ich fand keine Worte, um die Situation zu erklären.
Adrian, der meine Notlage offenbar bemerkt hatte, legte einen Arm um meine Schultern und nahm mich zur Seite. Er roch erstaunlich gut, nach frischem Lavendel und Minze. Seine Geste wirkte zwar dreist, aber sie fühlte sich unaufdringlich an. Er hielt mich mit einem Selbstbewusstsein in seinem Arm, das regelrecht anziehend war. „Britta ist nicht gerade die Diskretion in Person.“
„Machst du dir denn keine Sorgen, Adrian?“, wollte Britta wissen. „Was ist, wenn ... ? Ich meine, wo sollen wir ... du weißt schon?“
Adrian warf einen Blick in Sebastians Richtung. „Es gibt hier noch andere“, sagte er, und ich fragte mich, woran er es erkannt hatte. Es war ja nun nicht so, als hätte Sebastian Vampir auf der Stirn stehen, und außerdem war es noch nicht dunkel draußen. Die Sonne ging gerade erst unter. Sebastian trug, dem Anlass entsprechend, einen schwarzen Anzug und eine schwarze Krawatte. Das Haar hatte er zu einem ordentlichen Zopf zusammengebunden. Sicher, er sah von allen anwesenden Männern am besten aus, doch nichts an seinem Äußeren deutete auf „Blutsauger“ hin. Vielleicht witterte Adrian irgendwelche Pheromone oder so, wie ein Wolfshund bei der Verfolgung seiner Beute.
Als Adrian sich zu Britta vorbeugte, verrutschte der Kragen seines violetten Seidenhemdes, und ich
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