Beiss noch einmal mit Gefuehl
Sebastian und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Ich beeile mich.“ Barney, die wieder von dem Sarg heruntergesprungen war und uns um die Beine strich, nieste ihm kräftig auf den Schuh. Sebastian bückte sich, um sie hinter dem Ohr zu kraulen. „Ich liebe dich auch, Mieze.“
Ich sah Sebastians Auto hinterher und freute mich darüber, wie gut wir wieder miteinander klarkamen. Er war wirklich ein toller Mann.
Mit einem Lächeln im Gesicht wandte ich mich vom Fenster ab - und hatte Parrishs Sarg direkt vor der Nase. Obwohl ich ihn schon tausendmal im Keller gesehen hatte, wirkte er mitten in meinem Wohnzimmer irgendwie unheimlich. Ich huschte an ihm vorbei in die Küche, bereitete mir eine Portion Nudeln zu und setzte mich an den Tisch, um Dominguez’ Geburtsdiagramm zu erstellen.
Die meisten Menschen kennen nur Zeitungshoroskope und wissen gar nicht, was für eine komplizierte Angelegenheit ein vollständiges Geburtsdiagramm ist. Es ist wie ein Foto vom Himmel, das zur genauen Geburtszeit von dem jeweiligen Geburtsort aus gemacht wird. Es zeigt alle Planeten – Sonne, Mond und einige Asteroiden - ober- und unterhalb des Horizonts. Und es stellt sämtliche Wechselwirkungen zwischen den Himmelskörpern dar, in welchem Tierkreiszeichen sie stehen und in welches Haus sie fallen. Das ist ganz schön verzwickt. Ein Diagramm von Hand zu erstellen, kann Stunden dauern, weshalb die meisten Leute ihre Berechnungen heutzutage mit dem Computer machen.
Als eine der letzten ewig Gestrigen besaß ich jedoch keinen Computer. Ich hatte keinen Fernseher, keinen Computer, kein Handy. Ich lebte noch im finsteren Mittelalter.
Also machte ich mich an die Arbeit. Als ich den letzten Aspekt in dem Diagramm eingezeichnet hatte, klingelte es.
Ich holte Dominguez an der Haustür ab. Er trug eine ausgeblichene blaue Jeans. Die oberen zwei Knöpfe seines silbrigen perlgrauen Baumwollhemds waren offen, und ich sah das kleine goldene Taufkreuz an seinem Hals. Um sich gegen die Kälte des Halloween-Abends zu schützen und um sein Schulterholster zu verbergen, trug er einen maßgeschneiderten schwarzen Sportmantel. Sein Haar kräuselte sich im Nacken und über den Ohren, als käme er gerade aus der Dusche.
Das einzig Unansehnliche an ihm war der klobige fuchsiafarbene Gips an seinem Unterarm.
„Kommen Sie rein“, sagte ich.
Als er an mir vorbeiging, nahm ich Seifenduft wahr, in den sich eine Spur Waffenölgeruch mischte.
Er drückte mir einen folienverpackten Strauß bunter Tausendschönchen in die Hand. „Für Sie, Miss Lacey“, brummelte er.
„Garnet“, sagte ich und sah, dass er vergessen hatte, das Tankstellen-Preisschild zu entfernen. Es handelte sich offensichtlich um eine Art Spontankauf, aber aus welchem Impuls heraus? Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir kein Date hatten, doch Blumen waren das Date-Mitbringsel schlechthin. Vielleicht hatte er sich aber auch an der Tankstelle an die Worte seiner Mutter erinnert, die ihm eingebläut hatte, dass man immer etwas mitbringen musste, wenn man jemanden besuchen ging; wenigstens irgendeine Kleinigkeit. Ich war zwar irgendwie gerührt, doch angesichts der Tatsache, dass ich schon bald eine Menge Leute zu bewirten hatte, wären Chips und Salsasoße die bessere Wahl gewesen. Andererseits konnte ich die Blumen wunderbar dazu verwenden, Parrishs Sarg deutlich als Nicht-Sitzmöbel zu kennzeichnen.
„Oh, warten Sie!“, rief ich, weil ich plötzlich lebhaft vor mir sah, was für ein Gesicht Dominguez machen würde, wenn er Parrishs Sarg im Wohnzimmer erblickte.
Aber er war bereits oben im Flur angekommen, und die Wohnungstür stand offen. „Was zum Teufel ...?“
Er klang sauer und überrascht... oder vielleicht eher überrascht und sauer; es war schwer zu sagen. Als ich auf ihn zustürzte, war sein Gesicht rot, genau wie ich es mir vorgestellt hatte. „Das ist ... Hier findet heute Abend noch eine Totenwache statt“, stammelte ich.
„Für den Kerl, den ich erschossen habe?“ Seine Wangenmuskeln zuckten, und seine Augen blitzten. Irgendwie sah er heiß aus, wenn er wütend war.
„Ja“, entgegnete ich leichthin. „Ihr Diagramm hat mir gezeigt, dass Sie die innere Ruhe haben, um mit so etwas umgehen zu können.“
Er verzog das Gesicht. „Das ist Schwachsinn!“
„Innere Ruhe ist eindeutig nicht Ihre Stärke.“ Ich lachte.
„Ich habe mir das nur ausgedacht. Ihr Diagramm sagt nichts dergleichen aus. Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.“ Als er sich nicht
Weitere Kostenlose Bücher