Beiss noch einmal mit Gefuehl
geschmerzt hatten.
Die Spiegeleier drohten mir wieder hochzukommen, und ich konnte den Brechreiz nur mit einiger Mühe bezwingen.
Sebastians Stimme riss mich aus meiner Panik. „Alles in Ordnung?“
„Die ganze Sache macht mich einfach total fertig“, entgegnete ich und hielt mir mit zitternden Fingern die Serviette vor den Mund.
Er legte mir beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen“, sagte er. „Ich kümmere mich um dich. Zum Glück habe ich jede Menge Geld“, fügte er mit einem kleinen, bescheidenen Lächeln hinzu. „Ich kann die besten Anwälte zu deiner Verteidigung anheuern und dir eine Villa kaufen, in der du dich verstecken kannst, bis die Lage sich wieder beruhigt hat. Wie würde dir Südfrankreich gefallen?“
„Ich habe keinen Reisepass“, entgegnete ich zerstreut. Während ich die traumatischen Ereignisse jener Nacht nochmals durchlebte, war Sebastian bereits zum Prozess vorgeprescht. Es war lieb von ihm, dass er mir eine gute Verteidigung besorgen wollte, aber ich selbst war noch gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich überhaupt eine brauchen könnte.
„Nun ja“, meinte Sebastian und nahm seine Hand von meiner Schulter, um sich nachdenklich am Kinn zu kratzen. „Mit Geld lässt sich da bestimmt eine Lösung finden.“
„Ja“, sagte ich leise und probierte zögernd von den Bratkartoffeln. Irgendein Teil meines Gehirns bewertete sie als knusprig und salzig, aber ich bekam sie kaum hinunter und schob meinen Teller fort. „Ich gehe nach Hause“, sagte ich und stand auf. „Oder vielleicht wieder in den Laden. Ich weiß es nicht. Ich kann nicht hierbleiben. Ich kann einfach nicht still sitzen.“
Sebastian schien mich zu verstehen. Er hatte sich galant erhoben, als ich aufgestanden war. „Soll ich dich hinfahren? Oder möchtest du mit zu mir kommen? Ich könnte uns Tee kochen und Feuer im Kamin machen.“
Ein verlockendes Angebot, aber ich schüttelte den Kopf. „Ich bin zu rappelig. Ich muss ein Stück laufen.“
Er nickte und griff nach seiner Jacke.
„Allein“, fügte ich hinzu und bekam deswegen gleich ein schlechtes Gewissen. Es war nämlich so: Sebastian war nicht der Vampir, den ich jetzt um mich haben wollte. Parrish war dabei gewesen. Wir hatten die Leichen gemeinsam in seinen Van gehievt. Es war unser Problem, und ich musste es mit ihm lösen.
„Wie du wünschst“, sagte Sebastian höflich, doch in seiner Stimme schwang ein Hauch von Traurigkeit.
Ich drückte liebevoll seinen Arm. „Ich komme schon klar. Mach dir keine Sorgen um mich.“
Er zog mich an sich und küsste mich hingebungsvoll. „Ich werd’s versuchen“, entgegnete er lächelnd, als er mich wieder losließ.
Nachdem ich kurz beim Laden vorbeigeschaut hatte, um William zu sagen, dass meine Pause noch ein wenig länger dauern würde, stieg ich auf mein Rad. Ich wohnte mehrere Blocks von der State Street entfernt im oberen Stockwerk eines alten viktorianischen Hauses. Dass ich dort Zugang zum Dachboden hatte, sah ich als Entschädigung für die ständig bedröhnten, schlampigen Leute an, die unter mir wohnten. Das ganze Dachgeschoss für die Magie zur Verfügung zu haben, war schon ein Ausgleich dafür, dass ich auf dem Weg zur Waschmaschine ständig über benebelte, halb nackte Leute steigen musste. Und da meine Nachbarn so daneben waren, war es außerdem nicht sehr wahrscheinlich, dass ihnen der Sarg auffiel, der seit einiger Zeit in meinem Teil des Kellers stand.
Ich trat kräftig in die Pedale und kam zügig voran. Der Großteil des frühen ersten Schnees war bereits wieder geschmolzen. Nur in den Vertiefungen der bräunlich verfärbten Rasenflächen hielten sich noch ein paar weiße Flecken. Die Temperaturen lagen dicht über dem Gefrierpunkt, und ich musste immer wieder schmutzigen Pfützen ausweichen, die sich von der Gosse bis auf die Straße ausdehnten. Alles ringsum sah müde aus. Fast alle Bäume hatten ihre Blätter bereits abgeworfen. Bei den restlichen war von herbstlicher Pracht nicht mehr viel zu sehen; sie zeigten nur noch ein paar Reste von verblichenen Gelb- und Orangetönen. Die Gärten waren unansehnlich geworden. Eichhörnchen hatten sich schon längst die Köpfe der Sonnenblumen geholt, sodass nur noch abgebrochene Stiele herumstanden. Von den meisten Stauden waren nur vertrocknete Stängel und Samenstände geblieben.
Der Himmel hingegen war strahlend blau. Die Sonne war so grell, dass ich wünschte, ich hätte meine Sonnenbrille
Weitere Kostenlose Bücher