Beiss noch einmal mit Gefuehl
holen. Barney zischte an mir vorbei und hätte mir dabei fast ein Bein gestellt. Ich schüttelte den Kopf über meine Katze. Sie vertrat ihren Standpunkt immer sehr energisch. In der Nacht würde sie bestimmt meine Kommode abräumen, um mir klarzumachen, was für ein Fehler es war, nicht auf sie zu hören.
Im Turmzimmer züchtete ich meine Kräuter. Seit ich mit Sebastian zusammen war, einem wahren Experten für Kräuterkunde, hatte sich meine Sammlung um einige besondere Pflanzen erweitert. Auch die Kletten in dem Topf neben den anderen Wildkräutern wie Pechnelke und wilde Möhre gingen auf sein Konto.
Ich betrog Sebastian doch wirklich nicht, wenn ich dafür sorgte, dass in Dominguez’ Herz eine kleine harmlose Schwäche für mich heranreifte, oder?
Als Barney nieste und eine Tupperdose vom Kühlschrank schubste, hätte ich es mir fast noch einmal anders überlegt. Dann schaute ich jedoch zu dem kreisrunden Loch in meinem Fenster, das zusammen mit der Kugel, die hinter mir in der Wand steckte, ein mahnendes Andenken an die Eustachius-Kongregation war.
Außergewöhnliche Situationen erfordern eben außergewöhnliche Maßnahmen, sagte ich mir.
Und Sebastian hatte sicher Verständnis dafür.
Mit den Fruchtständen der Kletten in der Hand ging ich auf den Dachboden.
Früher war mein Ritualraum absichtlich ganz leer und schmucklos gewesen. Das hatte mich daran erinnern sollen, dass ich mein magisches Leben hinter mir gelassen hatte.
Nun quoll er regelrecht über.
An der Giebelwand, jenseits des weißen Pentakels, das ich auf den Holzboden gemalt hatte, stand ein vierteiliges Bücher- und Kräuterregal, das Sebastian und ich selbst gebaut hatten. Okay, ich hatte es entworfen, und Sebastian war für die ganze Schlepperei und Hämmerei zuständig gewesen, aber hey, ich hatte die Pizza und das Bier besorgt. Und ich war wirklich stolz auf das Ergebnis. Ich hatte die vier Elemente des Regals, die vage mondsichelförmig waren, mit den Rücken aneinandergestellt und mithilfe eines Kompasses nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet.
Sie waren vollgepackt mit magischem Klimbim. Gläser mit getrockneten Kräutern, lose Perlen, Öle, Edelsteine, Schnüre, Bänder, Spiegel, Stoffmuster, Farben, Federn, Siegelwachs und Kerzen in jeder erdenklichen Größe, Form und Farbe.
Und dann waren da noch meine „Fundstücke“: verdrehte Eichenzweige, ein Glas Regenwasser, Steine, Eicheln, ein Bund Bittersüßer Nachtschatten, eine Schüssel mit Kompost und getrocknete Blätter und Blüten. Daneben gab es auch eine ganze Reihe praktischer Hexenutensilien: Streichhölzer, Salz, Notizblock, Stifte, Allzweck-Fleckentfemer und einen Feuerlöscher.
Ich freute mich über die bunte Fülle, aber trotzdem war ich ein bisschen traurig, als ich mich umsah. Die Dinge, die ich hier zusammengetragen hatte, waren immer noch so unpersönlich. Ich hatte meine gesamte magische Vergangenheit hinter mir lassen müssen - die vielen Geschenke, die ich im Lauf der Jahre erhalten hatte, wie zum Beispiel die Bast-Statue aus dem Andenkenladen des Chicagoer Museums. Jasmine hatte sie für Barney gekauft, um ihre Allergie damit zu kurieren. Was für ein Reinfall war das gewesen! Ich musste darüber lachen, wie dumm wir gewesen waren: Wir hatten ihre durch Magie ausgelösten Niesanfälle mit Magie heilen wollen!
Mir verging das Lachen schlagartig, als ich mich daran erinnerte, wie Jasmine mit schmerzverzerrtem Gesicht tot vor mir gelegen hatte. Ihre Gebetskette, die sie selbst gefertigt
hatte, war zerrissen gewesen. Ich hatte sie an mich genommen.
Ich ging zu dem losen Dielenbrett und holte ein zusammengeknotetes schwarzes Seidentuch aus meinem Versteck. Da ich den Zauber wirken wollte, damit Dominguez Verständnis hatte für das, was in jener Nacht geschehen war, nahm ich vorsichtig die kaputte silberne Kette mit Perlmuttperlen und kleinen Amethysten aus dem Tuch und legte sie auf den Altar. Statt eines Kreuzes, wie man es von einem Rosenkranz kennt, hatte diese Kette eine silberne Nilgöttin als Anhänger. Wehmütig fuhr ich mit den Fingerspitzen darüber.
Den anderen Gegenstand ließ ich in dem Tuch. Es war ein Kruzifix von einem der Priester, die Lilith getötet hatte. Ich hatte es ihm vom Hals gerissen, so wie er Jasmine ihre Gebetskette entrissen hatte. Erst jetzt kam mir in den Sinn, dass es ein Beweis war, der mich mit den Morden in Verbindung bringen konnte. Ich musste es loswerden. Oder zumindest aus dem Haus schaffen.
Meine Finger strichen
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