Beiss noch einmal mit Gefuehl
ließest.“
Ich dachte einen Augenblick zu lange darüber nach, und schon breitete sich ein lüsternes Grinsen auf Parrishs Gesicht aus, obwohl ich energisch den Kopf schüttelte und erklärte: „Das wäre eine schlechte Idee.“
„Sag Bescheid, wenn du deine Meinung änderst.“
Ich musste lachen. Dass er „wenn“ gesagt hatte und nicht „falls“, war so typisch für ihn! Parrish war unglaublich arrogant, was seine sexuelle Anziehungskraft betraf. Und ich hasste mich dafür, dass ich das auch noch attraktiv fand.
„Da ist ja das Lächeln, das ich so liebe“, sagte Parrish und fuhr mit dem Daumen über meinen Mundwinkel. „Ich liebe dich immer noch. Das weißt du.“
Ich wusste es, doch dieses Thema wollte ich jetzt nicht vertiefen; hier in dieser Küche, die nach Sebastians Kaffee roch und mich an den Schmerz in seiner Stimme und an die dummen Sachen erinnerte, die ich gesagt und getan hatte.
„Parrish ...“, setzte ich an, doch weil ich nicht so recht wusste, wie der Satz weitergehen sollte, verstummte ich und seufzte.
Er ließ meinen halbherzigen Protest einfach im Raum stehen. Dann zupfte er an den kurzen Fransen über meinen Ohren. „Daran werde ich mich wohl nie richtig gewöhnen, wie oft ich dich auch ansehe.“
Ich reagierte mittlerweile eher befremdet, wenn ich alte Bilder von mir sah. Als blauäugige Blondine erkannte ich mich fast selbst nicht mehr. Ich fand mich in dieser Person nicht mehr wieder. Die kurzen schwarzen Haare hingegen gefielen mir gut. Wer weiß, vielleicht hatte schon immer eine freche Goth-Maus in mir gesteckt. „Ach, ich weiß nicht, Parrish. Früher sah ich ziemlich Marsha-Brady-mäßig aus, oder nicht?“
Parrish sah mich verständnislos an.
Da fiel mir wieder ein, dass er zwar zweihundert Jahre alt war, ihm die entscheidende Fernsehbildung aber fehlte. Drei Mädchen und drei Jungen war immer nachmittags gelaufen. Er hätte natürlich die Wiederholungen auf Nickelodeon gucken können, doch warum sollte er? Parrish verbrachte seine Nächte mit Jagen, nicht mit dem Nachholen kitschiger TV-Serien.
„Pollyanna?“, fragte ich.
„Ah! Das habe ich gelesen, aber ich erinnere mich nicht an Pollyannas Frisur.“
„Ist ja auch egal.“ Ich gab auf. Manchmal überforderten mich diese generationsübergreifenden Gespräche. Auch mit Sebastian hatte ich gelegentlich solche Momente, doch da er denselben Tagesablauf hatte wie der Rest der Welt, war er viel besser informiert. Außerdem hatte er Spaß an den Errungenschaften der Technik, wodurch er sehr modern erschien. Seinen Oldtimer hatte er sogar bei eBay gekauft. Er begründete sein Interesse für Elektronik immer mit seiner generellen wissenschaftlichen Neugier als Alchemist, aber ich vermutete insgeheim, dass er eigentlich das Herz eines besessenen Tüftlers hatte.
Verdammt. Er fehlte mir.
Ich stand auf. „Ich muss jetzt wirklich ins Bett“, sagte ich zu Parrish. „Morgen muss ich früh in den Laden.“
„Natürlich“, entgegnete er.
Ich brachte ihn zur Tür. Bevor er die Treppe hinunterging, drehte er sich noch einmal um. „Du meldest dich bei mir, wenn du Hilfe wegen der Bullen brauchst, ja?“
„Du bist der Erste, der mir einfällt, wenn ich Ärger mit den Cops habe, Parrish.“
Er lächelte gerade so viel, dass die Spitzen seiner Eckzähne zu sehen waren. Dann zauste er mir das Haar und küsste mich auf die Wange. „Sehr gut.“
Ich erwiderte sein Lächeln, doch kaum war er die Treppe hinunter, ging ich ins Schlafzimmer. Ich kramte in meinem Schrank, bis ich ein altes Sweatshirt von Sebastian fand. Dann vergrub ich mein Gesicht darin, atmete seinen Geruch ein und weinte mich in den Schlaf.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, goss es wie aus Kübeln, und ich hatte grauenhafte Kopfschmerzen. Es war so dunkel draußen, dass ich zweimal auf die leuchtenden roten Zahlen auf dem Display meines Weckers schaute, weil ich dachte, es könne unmöglich schon Zeit zum Aufstehen sein. Aus der Ferne war Donnergrollen zu hören. Äußerst widerwillig verließ ich mein warmes Nest und stand auf.
Meine Augen schmerzten. Mein Kopf dröhnte. Das Zähneputzen half ein bisschen, die heiße Dusche danach auch. Die Kaffeekanne im Spülbecken stehen zu sehen, war hingegen kontraproduktiv. Ich wollte etwas für meine Laune tun, während ich die Kanne spülte, und schaltete das Radio ein, doch es war immer noch auf Sebastians Lieblingssender mit Country-Musik eingestellt. Ich drehte rasch an dem Knopf und hörte ein
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