Beiss noch einmal mit Gefuehl
schlich ich zum Fenster. Izzy saß am Küchentisch und löffelte eine Schüssel Müsli. Ich hob die Hand, um an die Scheibe zu klopfen, doch da zerrte etwas an meinen Haaren, und Flügel schlugen mir um die Ohren. Die verdammte Krähe griff mich an!
„Du gibst mir das Gefühl, dass Izzy wirklich in Gefahr ist“, zischte ich. Die Krähe hatte sich inzwischen auf eine alte Wäschespinne gesetzt, die im Nachbargarten stand, plusterte ihr Brustgefieder auf und schüttelte den Kopf.
„Nein? Sie ist nicht in Schwierigkeiten?“ Es war unheimlich, doch das Tier nickte tatsächlich. Ich rief mir in Erinnerung, dass ich eine Hexe war, und versuchte, es als ganz normal anzusehen, dass ich ein Gespräch mit einem Vogel führte. „Warum willst du mich nicht mit ihr reden lassen?“
Vielleicht war die Frage zu kompliziert, denn die Krähe legte den Kopf schräg und sah mich nachdenklich an.
Nachdem ich noch einmal zu Izzy hinübergeschaut hatte, sagte ich: „Okay, aber wenn ich zu Hause bin, rufe ich sie an!“
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und ging zu Parrish zurück. Die Krähe flog davon, und ihr „Kraa, kraa, kraa“ hallte durch die Nacht.
Parrish sah mich skeptisch an. Er hatte von der Straße aus alles gesehen. „Krähen in der Nacht. Das gefällt mir nicht“, sagte er. „Ein unheimlicher Ort.“
Irgendwie klangen diese Worte aus dem Mund eines Vampirs noch beunruhigender.
„Ja“, sagte ich nur und stieg wieder auf. Ich schlüpfte mit den Armen unter Parrishs Jacke und umklammerte ihn ganz fest. Er ließ wortlos den Motor an und fuhr los.
Als wir am Friedhof entlangknatterten, zogen endlose Reihen von Grabsteinen aus weißem Granit an uns vorbei.
Plötzlich glaubte ich, eine Bewegung zwischen den Bäumen gesehen zu haben, doch es war vermutlich nur ein Reh oder so etwas gewesen ... oder ich sah vor lauter Nervosität schon
Gespenster.
Als wir zu Hause waren, bat ich Parrish, mit nach oben zu kommen. In meiner Wohnung roch es nach verbranntem Kaffee. Auf dem Boden der Glaskanne, die auf der Warmhalteplatte stand, war nur noch eine schwarze, festgebrannte Pfütze. Während ich die Kanne zum Einweichen in die Spüle stellte, setzte Parrish sich an den Küchentisch.
Er verschränkte die Arme und beobachtete mich. Ich wollte ihm etwas zu trinken anbieten, aber auf dem Weg zum Kühlschrank trat ich versehentlich gegen Barneys Futternapf, und die Brekkies flogen im hohen Bogen heraus.
„Scheiße!“, sagte ich lauter als beabsichtigt und bückte mich mit Tränen in den Augen, um sie aufzusammeln.
Auf einmal war Parrish hinter mir, fasste mich an den Schultern und zog mich hoch. „Lass nur“, sagte er. „Das kann warten.“
„Aber ich muss das doch wegmachen“, erwiderte ich. „Geht ganz schnell.“
Parrish nahm mich wortlos in die Arme. Ich ließ meinen Kopf an seine Brust sinken. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich seine Umarmung gebraucht hatte. Wenn ich mich bei ihm anlehnen konnte, und sei es nur für einen kurzen Moment, sah alles irgendwie nicht mehr so schlimm aus. Aber obwohl ich in seinen Armen Trost fand, registrierte ich unweigerlich, wie unnatürlich kalt sein Körper von der herbstlichen Kühle draußen geworden war. Und dass er keinen Herzschlag hatte, spürte ich ebenfalls sehr genau, wie stark und kräftig seine Arme auch waren. Es war, als läge ich in den Armen einer Bronzestatue.
Ich machte mich von ihm los. Parrishs Umarmungen waren gefährlich. Mit ihnen ging stets das Risiko einher, dass wir zusammen im Bett landeten und ich am nächsten Morgen an Schuldgefühlen erstickte. Parrish war eine wandelnde Versuchung. Wenn ich mich jemals wieder mit Sebastian versöhnen wollte, und das wollte ich, dann war es nicht ratsam, unvorsichtig zu werden, wie gut es sich auch anfühlte, gehalten zu werden. „Ist schon okay, mir geht es gut“, log ich.
Parrishs trauriges Lächeln sagte mir, dass er willens war, mich damit durchkommen zu lassen. Er legte die Hände auf meine Schultern. „Natürlich. Aber bei mir musst du nicht die Starke spielen.“
Nun wäre es beinahe um meine Fassung geschehen gewesen. Nur mit äußerster Willenskraft konnte ich meine zitternde Unterlippe unter Kontrolle halten. Parrish hatte mich in meinen übelsten Momenten erlebt. Er hatte meine Hysterie erlebt, meine Trauer und alle Schrecklichkeiten jener Nacht, und er liebte mich immer noch. Ich atmete tief durch, um das Gespräch auf ein weniger heikles Thema zu lenken.
Doch er sah mich
Weitere Kostenlose Bücher