Beiss noch einmal mit Gefuehl
Lilith, meinen Sie wohl?“
Natürlich meinte ich das, aber alles, was ich in dieser Richtung sagte, musste doch völlig verrückt klingen. Also erklärte ich: „Ich muss immer die Konsequenzen IHRER Zerstörungswut tragen.“
Einen Moment lang herrschte Schweigen in der Leitung. „Wissen Sie“, sagte Dominguez dann, „ich glaube, ich würde doch lieber persönlich mit Ihnen sprechen.“ Er senkte verschwörerisch die Stimme. „Dann kann ich mir ... äh ... einen besseren Eindruck von allem verschaffen.“
Mit anderen Worten wollte er mir also nah sein, um mich telepathisch unter die Lupe nehmen zu können. Ich weiß nicht, warum, aber diese Aussage weckte große Hoffnungen in mir. Wenn er mir mithilfe seiner Kräfte in den Kopf schauen wollte, war er vielleicht doch noch nicht restlos von meiner Schuld überzeugt.
„Ich will nicht festgenommen werden“, sagte ich.
„Ist klar“, entgegnete er trocken. „Ich glaube, diesmal lasse ich die Handschellen zu Hause. Treffen wir uns doch irgendwo, wo Sie sich sicher fühlen.“
Ja, aber wo fühlte ich mich sicher?
„Bei Ihnen zu Hause?“, schlug er vor..
„Da, wo der große blaue Van voller FBI-Agenten vor der Tür steht, meinen Sie?“
„Okay. Dann irgendwo in der Öffentlichkeit?“
Tja, an welchem öffentlichen Ort fühlte ich mich sicher? Wo würde das FBI nur ungern einfallen und um sich ballern? Wo? Ich überlegte fieberhaft. „In der Bücherei!“, rief ich. „In der Leihbücherei, in der Kinderabteilung!“
„O-okay.“ Dominguez klang, als hielte er mich für völlig durchgeknallt. „In welcher denn?“
Nun, da ich weder mein Fahrrad noch ein Auto zur Verfügung hatte, musste ich zu Fuß los, also nannte ich ihm die nächstgelegene: „Ich bin in fünfundvierzig Minuten in der Bücherei in der Monroe Street.“
Ich wusch mich vorsichtig mit einem Schwamm und achtete darauf, den Verband nicht nass zu machen, den Sebastian mir angelegt hatte. Dann wusch ich mir die Haare, was einhändig auch nicht so einfach war. Als ich in Izzys Spiegelschrank nach Make-up suchte, fand ich nur eine Grundierung und einen Puder, die beide um einige Nuancen dunkler waren als das, was ich normalerweise benutzte. Ich begnügte mich also mit etwas Eyeliner und Mascara. Meinem Haar hätte ein bisschen Gel gutgetan, aber mit Izzys Pflegeprodukten kannte ich mich nicht aus. Abgesehen davon war mein schlechtes Gewissen schon groß genug, weil ich die anderen Sachen benutzt hatte und noch dazu beabsichtigte, mir ein paar Kleider aus ihrem Schrank zu borgen.
Bis auf ein auffälliges Brautjungfernkleid aus Taft, das ganz hinten hing - und auf das ich sie bei nächster Gelegenheit ansprechen musste -, besaß Izzy nur recht langweilige Blusen, Pullis, Sweatshirts und T-Shirts.
Ich lieh mir eine schlichte blaue Baumwollbluse und zwängte mich wieder in meine schwarze Jeans. Als ich die konservativ gekleidete Frau mit dem platten Haar im Spiegel betrachtete, kam ich mir vor wie für einen Undercover-Einsatz verkleidet.
Ich zog mir mühsam meinen Mantel über, rief Izzy an und hinterließ eine Nachricht auf ihrer Mailbox, um sie wissen zu lassen, dass ich mir ein paar Sachen von ihr geliehen hatte und wahrscheinlich noch unterwegs sein würde, wenn sie nach Hause kam. Dann rief ich William an, um nachzuhören, wie es im Laden lief, und ihm mitzuteilen, dass mit mir alles in Ordnung war.
„Hey!“, sagte ich, als er sich meldete.
„Okay, hör zu“, sagte William ohne lange Vorrede. „Ich habe einen Freund, dessen Mutter in der Rechtsabteilung der Uni arbeitet, und sie kennt einen hervorragenden Strafverteidiger. Ich glaube, wir können ihn dazu überreden, den Fall kostenlos zu übernehmen, denn er wird garantiert großes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregen - eine von einer Killergöttin besessene Hexe, das ist doch der perfekte Halloween-Mord!“
„Sag nicht, du hast das mit Lilith überall herumerzählt!“
„Natürlich habe ich das! Wie sollte ich denn sonst jemanden finden, der bereit ist, dir zu helfen?“
„William“, erwiderte ich so geduldig, wie mir eben möglich war, „Leute, die mit Magie nichts zu tun haben, glauben nicht an vatikanische Hexenjäger und Besessensein von Göttinnen. Dieser Anwalt hält mich wahrscheinlich für verrückt.“
Es gab eine kurze Pause am anderen Ende der Leitung. „Ich glaube, er hat irgendetwas von Unzurechnungsfähigkeit gesagt.“
„Aber wenn man für verrückt erklärt wird, ist man noch lange nicht aus
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