Beiss noch einmal mit Gefuehl
dem Schneider - man kommt nur nicht ins Gefängnis“, erklärte ich. „Stattdessen lande ich dann in der Klapse!“
„Oh“, machte William ernüchtert. „Aber ich glaube trotzdem, dass du einen Anwalt brauchst.“
„Und da hast du wahrscheinlich auch recht“, pflichtete ich ihm bei. „Aber wie läuft’s im Laden? Sind meine Bestellungen schon eingetroffen?“
„Mensch, Garnet, sollten wir nicht lieber erst mal das mit dem Anwalt klären? Wie lange darfst du überhaupt telefonieren? Du hast ja nur einen Anruf.“
„Du denkst, ich rufe aus dem Gefängnis an? Ich bin noch gar nicht festgenommen worden“, entgegnete ich. „Aber es könnte natürlich jeden Moment so weit sein.“
„Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Soll ich dir mal was Witziges erzählen? Ich musste tatsächlich Marlena anrufen, damit sie für dich einspringt.“
Ich musste kichern. „Aber wir haben ja auch immer noch unseren Slow Bob, nicht wahr?“
„Ja, doch dann müsste ich ja mit ihm zusammenarbeiten! Der verkriecht sich doch nur in eine Ecke und liest die ganze Zeit. Der ist keine große Hilfe - der macht einem eigentlich nur noch mehr Arbeit.“
Das wusste ich, aber Slow Bob kannte unser Sortiment wie kein anderer. Dank seines unglaublichen Gedächtnisses hatte er für jeden Kunden immer auf Anhieb den richtigen Buchtipp. „Ich bin bald wieder da“, versprach ich, doch dann kam ich ins Grübeln. Ich wollte Dominguez alles gestehen - vielleicht war ich schon auf dem besten Weg ins Gefängnis. „Du solltest Eugene anrufen“, riet ich William. Unser Chef, der Besitzer des Ladens, war wieder einmal abwesend. Derzeit hielt er in Kalifornien Zwiesprache mit dem Dalai Lama. „Möglicherweise brauchen wir neues Personal. Hast du dir schon mal überlegt, ob du nicht den Posten des Geschäftsführers übernehmen willst?“
Es hatte witzig klingen sollen, doch William lachte nicht. „Hast du nicht gerade gesagt, du bist nicht verhaftet worden?“
„Ich bin zur Bücherei in der Monroe Street unterwegs, um meine Sünden zu bekennen.“
„Du willst dich stellen? In einer Bücherei?“
„Ja“, antwortete ich, auch wenn ich mir ein bisschen töricht vorkam. „Es schien mir einfach ein sicherer Ort zu sein, verstehst du?“
„Klar“, entgegnete William, aber er klang besorgt. „Schön warm und ruhig.“
„Ich muss jetzt Schluss machen; ich muss los.“
Nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten, legte ich auf. Als ich aus der Seitentür trat und von einem kalten Windstoß erfasst wurde, hätte ich es mir fast noch einmal anders überlegt. Dann fiel mir jedoch wieder dieser wackere Kriminalist ein, der wahrscheinlich genau in diesem Moment meinen genetischen Fingerabdruck untersuchte, und ich kam zu dem Schluss, dass mein Schicksal bereits besiegelt war. Ich musste es hinter mich bringen.
Als ich fröstelnd die Straße hinunterging, trat die Sonne aus den Wolken, und immer, wenn der Wind sich legte, verspürte ich einen Hauch von Wärme. Eine Krähe flog über mich hinweg und verschwand in einer hohen Tanne.
Eines der Häuser in Izzys Block war schon komplett für Halloween gerüstet. Entlang des Sockels waren orange Plastiksäcke mit grinsenden Kürbisgesichtern aufgestellt, wie sie die Stadtverwaltung in jedem Herbst für Laubabfälle ausgab. Windschiefe Grabsteine aus Karton mit Namen wie Frank N. Stein standen auf dem Rasen, und an den Bäumen hingen Spinnweben aus Watte und orange Lichterketten. Wenn der große Tag kam, wurde vor diesem Haus garantiert noch ein großer Hexenkessel mit dampfendem Trockeneis aufgestellt, und um die Sache zu perfektionieren, schallten sicherlich auch aus Lautsprechern Spukgeräusche über die Straße.
Halloween war früher immer mein Lieblingsfest gewesen. Zum einen war es das unverhohlenste heidnische Fest des Jahres, und zum anderen machte es natürlich Spaß, sich zu verkleiden und Süßigkeiten abzustauben.
Inzwischen war es für mich zu einem Tag der Trauer geworden. Wenn ich irgendwo einen ausgehöhlten Kürbis sah, musste ich unwillkürlich an die letzte Zusammenkunft meines Zirkels denken: Wir hatten so viel Spaß gehabt, als wir lustige und gruselige Fratzen in Junkos Kürbisse geschnitzt hatten! Sie war so glücklich über ihre Rekordernte gewesen – genau zwölf Kürbisse hatte ihr Garten hervorgebracht. Einen für jede, hatte sie gesagt; es war, als hätte es die Göttin so vorgesehen, als hätte sie uns gesegnet.
Wie sich herausgestellt hatte, war es
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