Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Katja, das darfst du nicht sehen, ist streng vertraulich.«
»Babette Schröder? Nun sag schon, ist sie wirklich die Frau, die wir suchen? Habt ihr sie?«
»Tag, Katja!« Erwin steckt den Kopf ins Zimmer und beißt in einen Brownie. »Schmeckt köstlich, so wie immer. Irgendwann werde ich dich so lange einsperren, bis du mir das Rezept verrätst. Kommst du, Marcel?«
Der Angesprochene steht auf, ohne Maus oder Tastatur zu berühren.
»Lagebesprechung«, sagt er und wirft mir das Grenz-Echo zu. »Da hast du was zum Lesen, bis ich wieder zurück bin. Vielleicht lernst du ja noch was.«
In der Tat. Die Lektüre ist sehr erhellend. Nicht nur der nüchterne deutsche Polizeibericht auf dem Monitor. Sondern auch die zusätzlichen Auskünfte, die mir die Suchmaschinen erteilen. Von Marcels bequemem Schreibtischsessel aus reise ich per Mausklick in ein fremdes Land, in eine Gegend so rau wie unsere Schnee-Eifel: nach Inverness, ins nördliche Schottland, dort wo uns Shakespeares Macbeth das Grauen gelehrt hat.
Kein Wunder, dass wir zuvor nichts über Babette Schröder haben finden können. Sie hat zwar in Aachen Physik und Psychologie studiert, aber keine Laufbahn als hochbegabtes Wunderkind eingeschlagen. Sondern offensichtlich alle Karrierepläne auf Eis gelegt, als sie mit fünfundzwanzig in London den dreißig Jahre älteren schottischen Arzt für ästhetische Chirurgie, Hamish Gordon, geheiratet und ihren Namen seinem angepasst hat. Barbara Gordon wurde von Jahr zu Jahr schlanker, makelloser und der Täterin in meinem Restaurant immer ähnlicher. Das kann ich Archivaufnahmen der britischen Klatschpresse entnehmen, in der die atemberaubend schöne Frau tatsächlich als das Meisterwerk ihres Gatten gepriesen wird.
Sieben Jahre später verschwindet Mrs Gordon aus den Medien. Dazu finde ich eine kleine Zeitungsmeldung: Sir Hamish Gordon, der nach einem Unfall gelähmt ist, zieht sich aus der Gesellschaft auf sein Landgut bei Inverness zurück und schreibt Bücher. 2006 wird sein Tod angezeigt. Kinder sind aus Babettes Verbindung mit Sir Hamish offenbar nicht hervorgegangen.
Die Recherche der deutschen Polizei bei den schottischen Kollegen hat ergeben, dass Mrs Gordon zwei Jahre später die Schönheitsklinik in London und den Landsitz in Schottland samt Inhalt verkauft hat. Ihre englischen Bankkonten hat sie aufgelöst. Eine Polizeiakte über sie gibt es nicht, da sie sich nie strafbar gemacht hat. Seit 2008 ist ihr Aufenthaltsort unbekannt.
Ich setze mich aufrecht hin und rechne kurz nach: Ja, genau in jenem Jahr hat Christine Lambert ihren Bruder als vermisst gemeldet. Das wird nicht einmal Marcel als Zufall werten können.
Langsam setzen sich die Mosaiksteinchen für mich zu einem Bild zusammen: Nach dem Tod ihres Mannes hat Barbara/Babette wieder Kontakt zu dem Pastor im belgischen Atzerath aufgenommen, dem einzigen Menschen, der ihr in einem früheren Leben nahegestanden und der an sie und ihre Fähigkeiten geglaubt hat. Sie hat das müßige Dasein einer reichen schottischen Landedelfrau satt und sehnt sich nach einer neuen Herausforderung. Gut möglich, dass das Eifeler Mädchen in den Highlands nie wirklich heimisch geworden ist und Sehnsucht nach dem deutschen Sprachraum bekommen hat. Es reist in die alte Heimat und besucht Jean-Marie Lambert.
Der Priester, der davon träumt, sein eigenes Sekten-Süppchen zu kochen, riecht Geld. Er umgarnt die verzweifelte Witwe mit einem Appell an ihren brachliegenden Intellekt, bezirzt sie mit seiner Unsterblichkeitstheorie und vielleicht auch mit dem nostalgischen Charme des ersten Mannes im Leben einer Frau.
Er bemächtigt sich ihrer Seele, ihres Verstandes und ihres Vermögens. Mit Letzterem kauft er nicht nur Haifischleder, um die von ihm Verblendeten irgendwo in einer versteckten Werkstatt zu versklaven, sondern gönnt sich ein Leben in Saus und Braus. Kauft vielleicht Luxuskarossen wie einst Bhagwan und melkt die arme Frau bis auf den letzten Penny aus.
»Klar«, sagt Marcel, als ich ihm nach seiner Lagebesprechung meine Theorie unterbreite. »Deshalb ist er zu Fuß bis bei dich in die Einkehr gewandert und trug alte verschlissene Klamotten.«
»Das war Tarnung«, werfe ich ein. »Außerdem ging es ihm natürlich nicht nur ums Geld, sondern, wie immer in solchen Sekten, um uneingeschränkte Macht über andere Menschen. Warum noch einem Gott dienen, wenn man selber einer sein kann. Ich bleibe dabei: Dieser Mord war Notwehr. Babette sah keinen anderen Ausweg, als
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