Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
Jupp, bevor es noch losgeht.«
»Keine Munition drin.« Dann starrt Jupp den Texaner mit offenem Mund an.
»David?«, bringt Hein hervor. »Du bist der Einbrecher? Wo kommst du denn her?«
Jupp schüttelt den Kopf und legt die Flinte auf die Anrichte. Zu meiner Freude sehe ich, dass er keine Krücken mehr braucht.
»Gibt’s nich, gibt’s nich! Warum bist du in Wemperhardt vor mir davongelaufen?«
»Das würde ich auch gern wissen«, sage ich. »Und dazu noch eine ganze Menge mehr. Ist aber bestimmt eine sehr lange Geschichte. Wir gehen ins Wohnzimmer.«
Ich fordere Jupp auf, ein Feuer im Kamin zu entfachen, bitte David, Tassen und Gläser aus dem Schrank zu holen, und kommandiere Hein zu Kaffeemaschine und Whiskyflasche ab.
Dann greife ich wieder zu meinem Handy.
»Komm sofort her. David ist bei mir«, belle ich Marcels Mailbox an und schicke eine SMS hinterher: Melde dich. Dringend! David ist hier.
Der Polizeiinspektor hat wohl immer noch nicht gemerkt, dass er sein Handy verloren oder nicht aufgeladen hat. Anders kann ich mir diese Funkstille nicht mehr erklären.
Als das Feuer – wie zuletzt am Mordabend vor vier Tagen – im Kamin prasselt und jeder einen Becher Kaffee vor sich stehen hat, sehen wir David erwartungsvoll an. Er weiß nicht, wo er beginnen soll, und stottert zunächst nur auf Deutsch und Amerikanisch herum. Immerhin kriege ich aus ihm heraus, dass er sich tatsächlich vor Barbara Gordon versteckt.
»Wer ist Barbara Gordon?«, fragt Hein.
»Etwa die Frau, die in der Einkehr den Pfarrer erschossen hat?«, will Jupp wissen. »Warum erzählst du uns nichts, Katja?«
»Der Reihe nach. Ist nämlich sehr viel in sehr kurzer Zeit passiert.«
David ist schneeweiß geworden.
»Ein Pfarrer erschossen? In der Einkehr ?!«
»Jean-Marie Lambert. Kennst du ihn?«
»Jean-Marie … ja, natürlich, habe ich von gehört, der Mann war aber schon weg, als ich zu der Sippe kam; sein Name war verboten. Der ist tot?«
»Ja«, sage ich knapp. »Und Volker Maraite, kennst du den?«
»Volker, ja, Name jetzt auch verboten, aber der Mann ist ganz o.k.«
»War er vielleicht. Er ist tot.«
»Ich weiß«, flüstert David. »Lissi und Nina auch. Das hat sie uns vorgestern gesagt. Die Tür nach außen steht immer offen. Das ist die Tür zum Tod. Und da sind die alle durchgegangen; Volker, Nina, Lissi. Und Jean-Marie auch, sagst du? Erschossen? Von Barbara?«
Nina und Lissi. Das dürften Janina und Elisabeth gewesen sein, die beiden Frauen, die in Hergersberg ihrem Leben mit Zyankali ein Ende gesetzt haben.
Hein wedelt mit der Handfläche vor seinem Gesicht herum.
Jupp sieht mich besorgt an.
»Ist David verrückt geworden?«
»Weiß ich noch nicht«, antworte ich. »Die ganze Geschichte ist so verrückt, da fragt man sich, wie ein Mensch, der mittendrin gesteckt hat, überhaupt noch normal sein kann.«
»Ich habe nicht mittendrin gesteckt«, flüstert David und führt schnell aus, dass er selbst nicht Teil der Sippe sei. Er habe nur für Barbara gearbeitet. »So ähnlich wie früher für dich, Katja. Die … Übungen habe ich nicht mitgemacht – und alle anderen Sachen auch nicht. Keine Prüfungen und so. Ich bin doch nicht verrückt.« Er sieht mich eindringlich an. »Ich weiß, dass ich sterben muss.«
»Das wollen wir doch mal sehen«, sagt Jupp grimmig und greift zu seiner Flinte, die er aus der Küche mitgenommen und neben sich gestellt hat. »Wenn dich jemand bedroht, David, dann schieße ich den sofort über den Haufen.«
»Mit ohne Munition?«, fragt Hein.
Ich nehme Jupp die Waffe aus der Hand.
»David meint, dass er irgendwann sterben muss, Jupp, nicht dass sein Leben aktuell bedroht ist. Obwohl … vielleicht doch. Sitz!«, fordere ich meinen Hund auf, der uns ins Wohnzimmer gefolgt ist und jetzt versucht, den Verband loszuwerden, an dem immer noch die Rolle Paketband baumelt. Erstaunlicherweise gehorcht das Tier.
Ich bitte also meine Freunde, ein paar Minuten lang die Klappe zu halten, mich nicht zu unterbrechen, und fasse dann Geschehnisse und Erkenntnisse der vergangenen Tage zusammen. Damit gebe ich David nicht nur Zeit, sich zu sammeln, sondern erspare ihm und uns möglicherweise einen ähnlich ausschweifenden Vortrag wie den von Claire. Und mir hilft es, das Durcheinander in meinem Kopf zu ordnen. Ich hake eine imaginäre Strichliste ab:
Donnerstagabend erschießt eine Frau, von der wir heute wissen, dass sie Barbara Gordon heißt, den als vermisst gemeldeten Pfarrer Jean-Marie
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