Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
die Sippe verloren hat.
Das Haus sollte unbewohnt aussehen, sagt David prompt, das sei Teil von Barbaras Plan. Sie hielt es nicht für zielführend, mit Nachbarn oder anderen Leuten über das Wetter zu reden, über Krankheiten von Menschen und Kühen oder über Wildschweine, die schon wieder den Garten verwüstet haben. Sie sei mit ihrer Sippe – fünf Leute sind davon jetzt noch übrig, wirft David ein – nicht in die Eifel gezogen, um sich am Landleben zu ergötzen, sondern um an einem Ort, wo die Sonne wenig Unheil anrichten kann, die Visionen ihres verstorbenen Mannes in die Tat umzusetzen.
»Aber wieso haben wir diese Leute nie gesehen?«, fragt Jupp. »Ich bin da drüben oft im Wald und habe nicht einmal mitgekriegt, dass überhaupt jemand in dem Haus wohnt.«
Die Antwort ist einfach: Niemand außer Barbara und David hat das von einer hohen Mauer umschlossene Grundstück je verlassen. Nicht etwa, weil es verboten gewesen wäre hinauszugehen; Barbara habe es irgendwie so eingerichtet, dass ihre Adepten keinen Wunsch verspürten, vor die Tür zu treten.
»Klarer Fall von Manipulation«, werfe ich ein. »Sie hat die Leute so von sich abhängig gemacht, dass sie ihr blind und scheinbar freiwillig gefolgt sind. Die ist bei Pastor Lambert in eine gute Schule gegangen. Sippe! Mit diesem Begriff hat sie das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt. Das ist nämlich ein anderes Wort für Familie, wusstest du das, David?«
Er schüttelt den Kopf.
Ich hake nach: »Keiner von den Bewohnern hat irgendwelche Angehörigen; das stimmt doch, David?«
Er hebt die Schultern. »Weiß nicht, über die Vergangenheit wurde nicht geredet, das war nicht … zielführend«, wiederholt er nickend einen Begriff, der früher nicht zu seinem deutschen Wortschatz gehört hat, den er aber in den Monaten bei der Sippe oft vernommen haben muss. »Barbara hat nicht missioniert. Es war ganz in Ordnung, dass ich bei dem Programm nicht dabei war.«
»Klar, sie brauchte jemanden, der alle Tassen im Schrank behält«, wirft Hein ein. »Der einkauft und so. Komisch, dass wir dich nie im Supermarkt gesehen haben.«
David informiert uns, dass er alle Besorgungen in Luxemburg erledigt habe – und zwar stets zu einer Zeit, wo er davon ausgehen konnte, dort keinem von uns zu begegnen.
»Sie hat immer gesagt, ihren Weg könne nur der gehen, der nichts zu verlieren hat. Eben jemand, der wirklich frei ist. Wie das in dem Song heißt: Freedom’s just another word for nothing left to lose .«
»Wer nix zu verlieren hat, kann auch keine Ansprüche an den Guru stellen«, sage ich.
»An die Gurine«, korrigiert mich Hein.
Die beiden Autos durften nie auf der Straße stehen, sondern mussten immer außer Sichtweite hinters Holztor gefahren werden, setzt David fort.
»Was für Autos?«, entfährt es mir.
»Ein alter US-Jeep und ein schwarzer VW-Bus.«
Womit wirklich der allerletzte Zweifel ausgeräumt ist.
Als er vor über einem halben Jahr an dem Haus vorbeigejoggt ist, hat Barbara gerade den Jeep herausgefahren, den David sofort als ehemaliges Army-Fahrzeug erkannte. Bei näherer Betrachtung stellte er überrascht fest, dass es sogar der gleiche Typ Wagen war, den er in seinem früheren Leben bei der Air Station Prüm gefahren hatte. Er blieb stehen und fragte Barbara, ob auch dieser Jeep dieselbe Macke wie sein alter aufweise.
»Welche?«, fragt Hein, der sich für Autos schon immer erheblich mehr als für Menschen interessiert hat.
»Ist doch egal!«, schimpfe ich. »Weiter!«
»Hatte er«, fährt David fort, »und ich konnte ihr zeigen, wie man damit umgeht. Sie war sehr lovely und sprach ein sehr schönes Englisch.«
»Und war überhaupt sehr schön«, werfe ich ein.
»Weiter!«, kontert jetzt Hein.
Barbara und David kamen ins Gespräch. Angesichts der so weltgewandt wirkenden Frau ließ David auf ihre Fragen nach seinem Leben in seiner Biografie so einiges aus.
»Ach nee, das kennen wir doch …«, seufzt Hein, und diesmal maßregele ich ihn nicht.
David flunkerte Barbara vor, er habe auf seiner Reise um die Welt mal eben auf der Kehr haltgemacht, wo er ein paar odd jobs für ein Restaurant erledige; ansonsten sei er frei wie ein Vogel und werde demnächst weiterziehen.
»Hatte ich wirklich vor«, versichert er. »Ich wollte nur noch weg von hier.«
»Und Gudrun?«, fragt Jupp vorwurfsvoll.
»Hasste mich damals. Weil ich ihr das Baby weggenommen habe, sagte sie. Besser für sie, ich gehe weit weg, dann denkt sie nicht so oft
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