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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Erstaunen in seinem Gesicht; denn obgleich ich zögerte, ihn zu grüßen (ich war nicht ganz sicher, ob es taktvoll sein würde), machte das unwillkürliche Lächeln, mit dem ich seinem Spähen begegnete, ihn meiner Identität – der Identität zwischen dem Kavalier und dem Kellner – gewiß. Mit einem schrägen Zurückwerfen des Kopfes, einem leichten Ausbreiten der Hände deutete er seine Überraschung, sein Vergnügen an, legte seine Serviette nieder und kam zwischen den Tischen hin zu mir herüber.
    »Mon cher Armand, sind Sie es oder sind Sie es nicht? Aber verzeihen Sie meinen flüchtigen Zweifel! Und verzeihen Sie auch, daß ich mich aus Gewohnheit Ihres Vornamens bediene – unglücklicherweise ist mir Ihr Familienname unbekannt geblieben, oder aber er ist mir entfallen. Für uns waren Sie immer einfach Armand …«
    Ich hatte mich erhoben und schüttelte ihm die Hand, die er mir natürlich bisher noch nie gereicht hatte. »Nicht einmal mit dem Vornamen«, sagte ich lachend, »stimmt es so ganz, Marquis. Armand ist nur ein nom de guerre oder d’affaires. Genaugenommen heiße ich Felix – Félix Kroull –, entzückt, Sie zu sehen.« »Mon cher Kroull, natürlich, wie konnte es mir aus dem Sinn kommen! Entzückt auch meinerseits, ich versichere Sie! Comment allez-vous? Sehr gut, allem Anschein nach, obgleich der Anschein … Ich biete den gleichen, und trotzdem geht es mir schlecht. Doch, doch, schlecht. Aber lassen wir’s. Und Sie – soll ich glauben, daß Sie Ihre uns so erfreuliche Tätigkeit im Saint James and Albany quittiert haben?«
    »Nicht doch, Marquis. Die läuft nebenher. Oder dies hier läuft nebenher. Ich bin hier und dort.«
    »Très amusant. Sie sind ein Zauberer. Aber ich inkommodiere Sie. Ich überlasse Sie … Vielmehr nein, wir sollten zusammenrücken. Ich kann Sie zu mir nicht hinüberbitten, mein Tisch ist zu klein. Aber ich sehe, bei Ihnen ist Platz. Zwar habe ich mein Dessert schon gehabt, aber wenn es Ihnen recht ist, nehme ich den Kaffee bei Ihnen. Oder verlangt Sie nach Einsamkeit?«
    »Nicht doch, Sie sind willkommen, Marquis«, antwortete ich gelassen. Und zum Kellner gewandt: »Einen Stuhl für diesen Herrn!« Absichtlich zeigte ich mich nicht geschmeichelt und sagte von Ehre und Auszeichnung nichts, sondern begnügte mich damit, seinen Vorschlag eine gute Idee zu nennen. Er setzte sich mir gegenüber, und während ich mein Diner bestellte, ihm aber Kaffee nebst ›Fine‹ serviert wurde, hörte er nicht auf, mich, etwas vorgebeugt über den Tisch hin, angelegentlich zu betrachten. Offenbar beschäftigte ihn meine geteilte Existenz, an deren besserem Verständnis ihm viel gelegen schien. »Nicht wahr«, sagte er, »meine Gegenwart geniert Sie nicht beim Essen? Ich wäre unglücklich, Ihnen lästig zu fallen. Am wenigsten möchte ich das tun durch Insistenz, die immer ein Merkmal schlechter Kinderstube ist. Ein erzogener Mensch geht leise über alles hinweg, akzeptiert die Vorkommnisse, ohne zu fragen. Das kennzeichnet den Mann von Welt, wie ich angeblich einer bin. Gut, ich bin einer. Aber bei so mancher Gelegenheit, zum Beispiel bei dieser, werde ich gewahr, daß ich ein Weltmann bin ohne Weltkenntnis, ohne Lebenserfahrung, die uns doch eigentlich erst berechtigt, über die verschiedensten Erscheinungen weltmännisch hinwegzugehen. Es ist kein Vergnügen, den Weltmann zu spielen, eingehüllt in Dummheit … Sie werden verstehen, daß unsere Begegnung hier mir ebenso merkwürdig wie erfreulich ist und meinen Wissensdurst reizt. Geben Sie zu, daß Ihre Redewendungen vom ›Nebenherlaufen‹ und vom ›Hier und dort‹ etwas Intrigierendes haben – für den Unerfahrenen. Um Gottes willen, essen Sie weiter und sagen Sie kein Wort! Lassen Sie mich schwatzen und mir die Lebensweise eines Altersgenossen versuchsweise zurechtlegen, der offenbar weit mehr Weltmann ist als ich. Voyons. Sie sind also, wie man nicht erst hier und heute sieht, sondern schon immer sah, aus guter Familie – bei uns Adligen, verzeihen Sie das harte Wort, sagt man einfach ›von Familie‹; aus guter Familie kann nur der Bürgerliche sein. Komische Welt! – Aus guter Familie denn – und haben sich eine Laufbahn gewählt, die Sie zweifellos zu Zielen führen wird, wie sie Ihrer Herkunft entsprechen, bei der es aber besonders darauf ankommt, von der Pike auf zu dienen und vorübergehend Stellungen einzunehmen, die den weniger Scharfblickenden darüber täuschen können, daß er es nicht mit einem

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