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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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meiner nun schon ein Jahr währenden Liaison mit Zaza unterrichtet, – es bedurfte dazu gar keines Klatsches und keiner anonymen Briefe, – ich selbst war kindisch und treuherzig genug, von meinem Glück, meinen Wünschen allerlei durchsickern zu lassen, wenn ich ihnen schrieb. Mir liegt das Herz auf der Zunge, wissen Sie, und von ihm zu meiner Feder ist auch nur ein kurzer, leichter Weg. Mit Recht haben die lieben alten Herrschaften den Eindruck, daß es mir Ernst ist mit der Affaire, daß ich vorhabe, das Mädchen – oder die ›Person‹, wie sie natürlich sagen – zu heiraten, und sind, wie ich es nicht anders hätte erwarten dürfen, außer sich darüber. Sie waren hier, bis vorgestern noch, – ich habe schwere Tage hinter mir, eine Woche unaufhörlicher Auseinandersetzungen. Mein Vater sprach mit sehr tiefer Stimme und meine Mutter mit einer sehr hohen, von Tränen vibrierenden, – der eine französisch, die andere deutsch. O bitte, es fiel kein hartes Wort, außer dem wiederkehrenden Worte ›Person‹, das mir allerdings weher tat, als wenn sie mich einen Narren und Unzurechnungsfähigen, einen Schänder der Familienehre genannt hätten. Das taten sie nicht; sie beschworen mich nur immer wieder, ihnen und der Gesellschaft keinen Grund zu solchen Bezeichnungen zu geben, und ich versicherte sie, mit ebenfalls sehr tiefer und vibrierender Stimme, daß es mir überaus leid ist, ihnen Kummer zu bereiten. Denn sie lieben mich ja und wollen mein Bestes, nur verstehen sie sich nicht darauf, – in der Tat so wenig, daß sie für den Fall, daß ich meine skandalösen Absichten ausführte, sogar von Enterbung sprachen. Sie gebrauchten nicht das Wort, weder auf französisch noch auf deutsch, ich sagte ja, daß sie aus Liebe überhaupt mit harten Worten zurückhielten. Aber die Sache deuteten sie umschreibend an, als Konsequenz, als Drohung. Nun glaube ich zwar, daß ich bei den Verhältnissen meines Vaters und in Anbetracht der Hand, die er in der Luxemburger Stahlindustrie hat, aufs Pflichtteil gesetzt, immer noch ganz auskömmlich zu leben hätte. Aber mit der Enterbung wäre doch weder mir noch Zaza eigentlich gedient. Es würde ihr wenig Freude machen, einen Enterbten zu heiraten, das werden Sie verstehen.«
       »So ziemlich. Ich kann mich da allenfalls in Mademoiselle Zaza’s Seele versetzen. Aber nun, die Reise?«
       »Mit der verdammten Reise ist es so: Die Eltern wollen mich loseisen, – ›man muß dich nur einmal loseisen‹, sagte mein Vater, indem er mitten im Französischen dies deutsche Wort gebrauchte, – ein ganz unangebrachtes Wort, ob es nun mit Eis oder mit Eisen zu tun hat. Denn ich sitze weder im Eise wie ein Polarforscher – die Wärme von Zaza’s Bett und ihres süßen Körpers macht diesen Vergleich einfach lächerlich –, noch sind es eiserne Fesseln, die mich halten, sondern die lieblichsten Rosenketten, deren Festigkeit ich allerdings nicht bestreite. Ich soll sie aber zerreißen, wenigstens versuchsweise, das ist die Idee, und dazu soll die Weltreise dienen, die die Eltern mir ausgiebig finanzieren wollen, – sie meinen es ja so gut! Weg soll ich einmal – und zwar für lange – von Paris, vom Téâtre des Folies musicales und von Zaza, soll fremde Länder und Menschen sehen und dadurch auf andere Gedanken kommen, mir ›die Grillen aus dem Kopfe schlagen‹ – ›Grillen‹ nennen sie das – und als ein anderer Mensch zurückkehren, ein anderer Mensch! Könnten Sie wünschen, ein anderer Mensch zu werden, ein anderer, als der Sie sind? Sie blicken vage, aber ich, ich wünsche es nicht im geringsten. Ich wünsche zu bleiben, der ich bin, und mir nicht durch eine Reisekur, wie man sie mir verordnet, Herz und Hirn umdrehen zu lassen, mich mir selbst zu entfremden und Zaza zu vergessen. Das ist natürlich möglich. Durch lange Abwesenheit, eingreifenden Luftwechsel und tausend neue Erlebnisse läßt es sich bewerkstelligen. Aber gerade weil ich das theoretisch für möglich halte, verabscheue ich das Experiment so gründlich.«
       »Bedenken Sie immerhin«, sagte ich, »daß Sie, sollten Sie ein anderer geworden sein, Ihr früheres Selbst, das gegenwärtige, nicht vermissen und ihm nicht nachtrauern würden, einfach, weil Sie es nicht mehr sind.«
       »Ist das ein Trost für mich, wie ich da bin? Wer kann vergessen wollen? Vergessen ist das erbärmlichste, unwünschbarste Ding von der Welt.«
       »Und doch wissen Sie im Grunde, daß Ihr Abscheu vor dem

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