Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
aus das stehende Gedankenexperiment meiner Muße, diesen stillen Versuch des Rollentausches in Worte faßte! Während ich jedem von beiden eine Menukarte zur Auswahl des Desserts überreichte, war ich keck genug, anstelle Zaza’s zu erwidern:
»Da fiele Ihnen der schwierigere Part zu, Herr Marquis, denn die Kellnerei ist ein Handwerk, Marquis zu sein aber eine Existenz, pure et simple.«
»Excellent!« rief sie lachend aus dem Vergnügen ihrer Rasse am netten Wort.
»Und Sie sind sicher«, wollte er wissen, »daß Sie der Existenz pure et simple besser gewachsen wären, als ich dem Handwerk?«
»Ich glaube, es wäre weder höflich noch zutreffend«,
erwiderte ich, »Ihnen eine besondere Anlage zum Auf
wärter zuzuschreiben, Herr Marquis.«
Sie amüsierte sich sehr.
»Mais il est incomparable, ce gaillard!«
»Deine Bewunderung wird mich töten«, sagte er mit theatralischer Verzweiflungsgebärde. »Und dabei ist er doch schließlich nur ausgewichen.«
Ich ließ es dabei sein Bewenden haben und zog mich zurück. Der Abendanzug aber, worin er mich vorstellungsweise seinen Platz hatte einnehmen lassen, war vorhanden, – ganz kürzlich hatte ich ihn mir zugelegt und hielt ihn nebst anderen Dingen in einem Stübchen verborgen, das ich mir nun doch, nicht fern vom Hotel, in einem stillen Winkel des Zentrums gemietet hatte, nicht, um dort zu schlafen – das kam nur ganz ausnahmsweise vor –, sondern um meine Privatgarderobe dort aufzubewahren und mich ungesehen umkleiden zu können, wenn ich an meinen freien Abenden ein etwas höheres Leben führen wollte, als ich in Stanko’s Gesellschaft geführt. Das Haus, in dem ich gemietet hatte, lag in einer kleinen Cité, einem mit Gittertoren abgeschlossenen Häuserwinkel, in den man durch die schon stille Rue Boissy d’Anglas gelangte. Es gab da weder Läden noch Restaurants; nur ein paar kleine Hotels und Privathäuser von der Art, wo man durch die nach der Straße offenstehende Tür der Portiersloge die dicke Concierge wirtschaften sieht, und der Mann sitzt bei einer Flasche Wein, daneben die Katze. In einem solchen Hause also war ich seit kurzem Aftermieter bei einer freundlichen, mir wohlgeneigten älteren Witib, die die Hälfte der zweiten Etage, ein Appartement von vier Zimmern, bewohnte. Eines davon hatte sie mir für ein mäßiges Monatsentgelt überlassen, – eine Art von kleinem Schlafsalon mit Feldbett und Marmorkamin, dem Spiegel darüber, der Pendule auf der Platte, wackeligem Polstermobiliar und verrußten Samtvorhängen an dem bis zum Boden reichenden Fenster, durch das man auf einen eng umbauten, in der Tiefe von den Glasdächern der Küchen gedeckten Hof blickte. Darüber hinweg ging die Aussicht auf die Rückfronten vornehmer Häuser des Faubourg Saint Honoré, wo man am Abend in erleuchteten Wirtschaftsräumen und Schlafzimmern Diener, Zofen und Köche umherwandeln sah. Dort drüben irgendwo, übrigens, residierte der Fürst von Monaco, und ihm gehörte diese ganze friedliche Cité, für die er, sobald ihm der Sinn danach stand, fünfundvierzig Millionen bekommen konnte. Dann würde sie abgerissen werden. Aber er schien das Geld nicht zu brauchen, und so blieb ich, auf Abruf, Gast dieses Monarchen und Großcroupiers, ein Gedanke, dessen eigentümlichen Reiz ich nicht verkannte.
Mein hübsches Ausgeh-Habit aus dem ›Printemps‹ war in dem Schrank auf dem Gange vor dem Dortoir Nummer 4 an seinem Platz. Die neuen Errungenschaften aber, ein Smoking-Anzug, ein Abendmantel mit seidengefütterter Pelerine, bei dessen Auswahl ich unwillkürlich von einem immer frisch gebliebenen Jugendeindruck, der Erinnerung an Müller-Rosé als Attaché und Schürzenjäger, bestimmt gewesen war, dazu ein matter Zylinderhut und ein Paar Lackschuhe, hätte ich im Hotel nicht sehen lassen dürfen; ich hielt sie mir in dem ›Cabinet de toilette‹ meines Mietszimmers bereit, einem tapezierten Verschlage, wo ein Kretonnevorhang sie beschützte, und etwas weiße Stärkwäsche, schwarzseidene Socken und Schleifenbinder lagen in der Louis Seize-Kommode des Zimmers. Der Gesellschaftsanzug mit seinen Atlasrevers war nicht gerade nach Maß gemacht, er war von der Stange weg gekauft und nur ein wenig adaptiert, saß aber meiner Figur so vollkommen, daß ich den Kenner hätte sehen mögen, der nicht geschworen hätte, er sei mir vom teuersten Schneider angemessen worden. Wozu legte ich ihn und die anderen schönen Dinge in der Stille meiner Privatwohnung an?
Aber
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