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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Menschen der Unterklasse, sondern sozusagen mit einem verkappten Gentleman zu tun hat. Richtig? – A propos: Es ist sehr nett von den Engländern, daß sie das Wort ›gentleman‹ in der Welt verbreitet haben. So hat man doch eine Bezeichnung für den, der zwar kein Edelmann ist, aber verdiente es zu sein, es mehr verdiente als so mancher, der es ist und postalisch mit ›Hochgeboren‹ adressiert wird, während der Gentleman nur ›Hochwohlgeboren‹ heißt, – ›nur‹ – und dabei um ein ›wohl‹ ausführlicher … Ihr Wohl! Ich lasse mir gleich auch noch zu trinken kommen. Das heißt, wenn Sie Ihre halbe Flasche geleert haben, so lassen wir uns zusammen eine ganze kommen … Mit dem ›Hochgeboren‹ und ›Hochwohlgeboren‹ ist es gerade wie mit der ›Familie‹ und der ›guten Familie,‹ ganz analog … Wenn das nicht Schwatzen ist, was ich da treibe! Es ist nur, damit Sie in Ruhe speisen und sich um mich nicht kümmern. Nehmen Sie nicht die Ente, sie ist schlecht gebraten. Nehmen Sie von der Hammelkeule, ich habe bestätigt gefunden, was mir der Maître versicherte, daß sie genügend lange in Milch gelegen hat … Enfin! Was sagte ich in bezug auf Sie? Während Ihr Pikendienst Sie als einen Angehörigen der unteren Klassen erscheinen läßt – es muß Ihnen geradezu Spaß machen, denke ich mir –, halten Sie natürlich innerlich an Ihrem Stande als Gentleman fest und kehren zwischendurch auch äußerlich zu ihm zurück, wie heute abend. Sehr, sehr hübsch. Aber mir vollkommen neu und verblüffend – da zeigt sich, wie wenig man, und sei man ein Weltmann, vom Leben der Menschen weiß. Technisch, verzeihen Sie, muß das ›Hier und dort‹ gar nicht ganz einfach sein. Sie sind von Hause aus bemittelt, nehme ich an – bemerken Sie wohl, ich frage nicht danach, ich nehme an, was auf der Hand liegt. So sind Sie in der Lage, sich neben Ihrer dienstlichen eine Gentlemansgarderobe zu halten, und daß Sie in der einen so überzeugend wirken wie in der anderen, ist das Interessante.«
    »Kleider machen Leute, Marquis, – oder besser wohl umgekehrt: Der Mann macht das Kleid.«
    »Und Ihre Daseinsform habe ich also ungefähr richtig gedeutet?«
    »Recht zutreffend.« Und ich sagte ihm, daß ich allerdings einige Mittel besäße – oh, durchaus bescheidene – und daß ich mir in der Stadt eine kleine Privatwohnung hielte, wo ich die Verwandlung meines Äußeren vornähme, in der ich jetzt das Vergnügen hätte, ihm gegenüberzusitzen. Ich sah wohl, daß er meine Art zu essen beobachtete, und verlieh ihr, unter Vermeidung aller Affektion, eine gewisse wohlerzogene Strenge, aufrecht, Messer und Gabel bei angezogenen Ellbogen handhabend. Daß ihn mein Betragen beschäftigte, verriet er durch einige Bemerkungen über fremde Speisesitten. In Amerika, so habe er gehört, erkenne man den Europäer daran, daß er die Gabel mit der linken Hand zum Munde führe. Der Amerikaner schneide sich alles erst einmal vor, lege das Messer dann fort und speise mit der Rechten. »Hat etwas Kindliches, nicht wahr?« Übrigens wisse er es nur vom Hörensagen. Er sei nicht drüben gewesen, habe auch gar keine Lust, zu reisen, – gar keine, – nicht die geringste. – Ob ich schon etwas von der Welt gesehen?
    »Mein Gott, nein, Marquis – und ja! dann doch wieder. Außer ein paar hübschen Taunusbädern nur Frankfurt am Main. Aber dann Paris. Und Paris ist viel.« »Es ist alles!« sagte er mit Emphase. »Für mich ist es alles, und um mein Leben möchte ich es nicht verlassen, werde es aber doch tun müssen, reisen müssen, Gott sei’s geklagt, ganz wider Wunsch und Willen. Ein Familiensohn, lieber Kroull, – ich weiß nicht, wieweit Sie’s noch sind und am Gängelband hängen, – sind Sie doch nur aus guter Familie, während ich, hélas, von Familie bin …«
    Er bestellte schon, da ich noch kaum mit meiner Pêche Melba fertig war, die vorhin für uns beide in Aussicht genommene Flasche Lafitte.
    »Ich fange einmal an damit« sagte er. »Haben Sie Ihren Kaffee gehabt, so stoßen Sie zu mir, und bin ich schon zu weit vorgeschnitten, so nehmen wir eine neue.« »Nun, Marquis, Sie haben es gut vor. Unter meiner Obhut im Saint James and Albany pflegten Sie mäßig zu sein.«
    »Sorgen, Kummer, Herzensnot, lieber Kroull! Was wollen Sie, da bleibt nur der Bechertrost, und man lernt die Gabe des Bacchus schätzen. So heißt er doch? ›Bacchus‹, nicht ›Bachus‹, wie man aus Bequemlichkeit meistens sagt. Ich nenne es

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