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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Experiment kein Beweis gegen sein Gelingen ist.«
       »Ja, theoretisch. Praktisch kommt es nicht in Betracht. Meine Eltern wollen in aller Liebe und Fürsorge einen Gefühlsmord begehen. Sie werden scheitern, ich bin dessen so sicher wie meiner selbst.«
       »Das will etwas heißen. Und darf ich fragen, ob Ihre Eltern bereit sind, das Experiment eben als Experiment gelten zu lassen und, wenn es fehlschlägt, sich in Ihre Wünsche und deren erprobte Widerstandsfähigkeit zu fügen?«
       »Ich habe sie das auch gefragt. Aber ich habe kein klares Ja erlangen können. Mich erst einmal ›loszueisen‹, darauf kommt ihnen alles an, und darüber denken sie nicht hinaus. Das ist eben das Unfaire, daß ich ein Versprechen habe geben müssen, aber keines dagegen empfangen habe.«
       »Sie haben also in die Reise gewilligt?«
       »Was sollte ich machen? Ich kann doch Zaza nicht der
    Enterbung aussetzen. Ich habe es ihr auch gesagt, daß ich versprochen habe zu reisen, und sie hat sehr geweint, teils über die lange Trennung, teils weil sie natürlich Angst hat, die Kur meiner Eltern könnte anschlagen und ich könnte anderen Sinnes werden. Ich verstehe diese Angst. Hege ich sie zuweilen doch selbst. Ach, lieber Freund, was für ein Dilemma! Ich muß reisen und will es nicht; habe mich verpflichtet zu reisen – und kann es nicht. Was soll ich tun? Wer hilft mir da heraus?«
       »Wirklich, Sie sind zu beklagen, lieber Marquis«, sagte ich. »Ich fühle ganz mit Ihnen, aber was Sie auf sich genommen haben, nimmt keiner Ihnen ab.«
       »Nein, keiner.«
       »Keiner.«
       Das Gespräch versickerte für einige Augenblicke. Er drehte sein Glas. Plötzlich erhob er sich und sagte:
       »Fast hätte ich vergessen … Ich muß meiner Freundin telephonieren. Wollen Sie mich einen Augenblick …«
       Er ging. Es war schon ziemlich leer geworden auf der Dachterrasse. Nur an zwei anderen Tischen wurde noch bedient. Die Mehrzahl der Kellner stand müßig. Ich vertrieb mir die Zeit mit dem Rauchen einer Zigarette. Als Venosta zurückkam, bestellte er eine neue Flasche Château Lafitte und begann dann wieder:
       »Lieber Kroull, ich habe Ihnen da von einem Konflikt mit meinen Eltern gesprochen, einem für beide Teile sehr schmerzlichen. An der schuldigen Pietät und Achtung, hoffe ich, habe ich es dabei in meinen Ausdrücken nicht fehlen lassen, noch an der Dankbarkeit, die mir trotz allem ihre liebende Fürsorge einflößt, nicht zuletzt das großzügige Angebot, womit sie diese Fürsorge bekunden, möge es auch den Charakter einer Auflage, eines Zwangsangebots tragen. Nur meine besondere Lage macht ja diese Einladung zu einer Weltreise mit allen Bequemlichkeiten zu einer so unerträglichen Zumutung, daß ich kaum verstehe, wie ich schließlich doch darauf eingehen konnte. Für jeden anderen jungen Mann, sei er von Familie oder aus guter Familie, wäre diese Einladung ja ein in allen Farben der Neuigkeit und des Abenteuers spielendes Himmelsgeschenk. Ich selbst, selbst ich, in meiner Lage, ertappe mich zuweilen dabei – ertappe mich wie auf einem Verrat an Zaza und unserer Liebe –, daß ich mir in meiner Phantasie die bunten Reize eines solchen Reisejahres ausmale, die Fülle der Gesichte, Begegnungen, Erfahrungen, Genüsse, die es unzweifelhaft mit sich brächte, wäre man für all das nur empfänglich. Bedenken Sie – die weite Welt, der Orient, Nord- und Südamerika, Ostasien. In China soll man Dienerschaft die Fülle haben. Ein europäischer Junggeselle hat ihrer ein Dutzend. Einer ist nur dafür da, ihm die Visitenkarten voranzutragen, – er läuft damit vor ihm her. Von einem tropischen Sultan habe ich gehört, daß er bei seinem Sturz vom Pferde die Vorderzähne eingebüßt hat und sich hier in Paris goldene Zähne hat machen lassen. Mitten in jeden davon ist ein Brillant eingesetzt. Seine Geliebte geht in Nationaltracht, das heißt, um die Beine hat sie ein kostbares Tuch geschlungen, vorn geknotet, unter den biegsamsten Hüften, denn überhaupt ist sie schön wie ein Märchen. Um den Hals trägt sie drei, vier Reihen Perlen und darunter ebenso viele Reihen Brillanten von Fabelgröße.«
       »Haben Ihre verehrten Eltern es Ihnen beschrieben?«
       »Nicht gerade sie. Sie waren ja nicht da. Aber ist es nicht sehr wahrscheinlich und ganz wie man es sich vorstellt, besonders die Hüften? Ich sage Ihnen: bevorzugten Gästen, Gästen von Distinktion, soll der Sultan seine Geliebte

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