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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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dieses Herr Miguel Hurtado, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter meines Gatten, und ich gehe wohl nicht fehl mit der Annahme, zu dem Reisegefährten Dom Antonio José‘s, dem Marquis de Venosta zu sprechen. Mein Mann hat uns heute bei seiner Ankunft von der Begegnung mit Ihnen erzählt …«
       »Entzückt, Madame!« erwiderte ich mit ungeheuchelter Freude, indem ich mich gegen sie, das junge Mädchen und Herrn Hurtado verbeugte. »Das ist eine reizende Fügung des Zufalls! Gewiß, mein Name ist Venosta, und ich hatte mich tatsächlich auf der Fahrt von Paris hierher zeitweise der Gesellschaft Ihres Gatten zu erfreuen. Ich kann wohl sagen, daß ich nie mit größerem Nutzen gereist bin. Das Gespräch des Herrn Professor ist herzerhebend …«
       »Sie dürfen sich nicht wundern, Herr Marquis«, fiel die junge Suzanna hier ein, »daß Ihre Erkundigung mich amüsierte. Sie erkundigen sich viel. Schon auf dem Platze habe ich Sie beobachtet, wie Sie jeden dritten Passanten anhielten, um sich nach irgend etwas zu erkundigen. Und jetzt erkundigen Sie sich bei Dom Miguel nach unserer eigenen Wohnung …«
       »Du bist vorlaut, Zouzou«, verwies ihre Mutter ihr die Rede – und für mich war es wundervoll, sie zum ersten Mal mit diesem Kosenamen angeredet zu hören, den ich selbst ihr im stillen schon längst verliehen hatte.
       »Verzeih, Mama«, gab die Kleine zurück, »aber alles ist vorlaut, was man in jungen Jahren sagt, und der Marquis, der ja selbst noch jung ist, kaum älter als ich, wie es scheint, ist selbst ein kleines bißchen vorlaut gewesen, indem er von Tisch zu Tisch ein Gespräch anfing. Übrigens habe ich ihm gar nicht gesagt, was ich sagen wollte. Vor allem wollte ich ihm versichern, daß Papa uns beim Wiedersehen keineswegs gleich zuerst und Hals über Kopf von seiner Begegnung mit ihm erzählt hat, wie es fast aus deinen Worten hervorzugehen schien. Er hat uns erst eine Menge anderes erzählt, bevor er ganz beiläufig erwähnte, daß er mit einem Herrn de Venosta zu Abend gegessen …«
       »Auch mit der Wahrheit, mein Kind«, tadelte wieder kopfschüttelnd die geborene da Cruz, »darf man nicht vorlaut sein.«
       »Mein Gott, Mademoiselle«, sagte ich, »es ist eine Wahrheit, an der ich nie gezweifelt habe. Ich bilde mir nicht ein –«
       »Das ist gut, das ist gut, daß Sie sich nichts einbilden!«
       Die Mama: »Zouzou!« Die Kleine: »Ein junger Mann, der so heißt, chère maman, und dabei zufällig so gut aussieht, ist sehr in Gefahr, sich allerlei einzubilden.«
    Es blieb nichts übrig, als sich der Heiterkeit zu überlassen nach diesen Worten. Auch Herr Hurtado beteiligte sich an ihr. Ich sagte:
    »Mademoiselle Suzanna sollte die weit größere Gefahr nicht verkennen, in der sie bei ihrem Aussehen selber schwebt, sich etwas einzubilden. Hinzu kommt die natürliche Versuchung zum Stolz auf einen solchen Papa – und solche Mama.« (Verneigung gegen die Senhora.) Zouzou errötete – gewissermaßen für ihre Mutter, die an Erröten nicht im entferntesten dachte; vielleicht aber auch aus Eifersucht auf sie. Auf verblüffende Weise half sich die Kleine über dies Erröten hinweg und ließ es einfach nicht wahr sein, indem sie mit dem Kopf auf mich deutete und gleichmütig bemerkte:
    »Was für hübsche Zähne er hat.«In meinem Leben war mir eine solche Sachlichkeit nicht vorgekommen. Und was diese etwa von Gewaltsamkeit hatte, wußte das Mädchen ihr zu nehmen, indem sie auf das »Zouzou, vous êtes tout à fait impossible!« der Senhora die Antwort hatte: »Aber er zeigt sie ja immer. Offenbar will er es hören. Und man soll über so etwas auch gar nicht schweigen. Schweigen ist nicht gesund. Die Feststellung bringt ihm und anderen noch am wenigsten Schaden.«
    Ein außerordentliches Geschöpf. Wie außerordentlich, wie ganz persönlich aus dem Rahmen des Akzeptierten und ihrer ganzen gesellschaftlichen und nationalen Umgebung fallend, das sollte mir erst später klar werden. Recht sollte ich auch erst noch erfahren, mit welcher fast ungeheuerlichen Direktheit dieses Mädchen nach ihrem mir sehr merkwürdigen Satze »Schweigen ist nicht gesund« zu handeln pflegte.
       Es gab eine etwas verlegene Stockung des Gesprächs. Madame Kuckuck-da Cruz bewegte in leichtem Trommeln die Fingerspitzen auf der Tischplatte. Herr Hurtado rückte an seiner Brille. Ich half aus mit folgendem:
    »Wir tun wohl alle gut, Mademoiselle Suzanna’s pädagogische Talente zu bewundern.

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