Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
meine Absicht war, Ihnen unrecht zu tun.«
    Ich war so verblüfft über diese plötzliche Milderung ihrer Stachligkeit, daß ich sie aus Versehen Zaza nannte. »Mais Mademoiselle Zaza …«
    »Zaza!« wiederholte sie auflachend und drehte mir den
Rücken …
Ich mußte ihr geradezu nachrufen:
    »Zouzou! Zouzou! Excusez ma bévue, je vous en prie!«
    Während ich, am maurischen Hauptbahnhof vorbei, durch die enge Rua do Principe, die den Rocio mit der Avenida da Liberdade verbindet, in mein Hotel zurückkehrte, schalt ich mich wegen des Ausgleitens meiner Zunge. Zaza! Die war nur sie selbst gewesen, zu zweit nur mit ihrem verliebten Loulou – nicht mit einer stolzen, ur-iberischen Mutter –, und das war doch ein gewaltiger Unterschied!

    Siebentes Kapitel

    D as Museu Sciências Naturaes von Lissabon, inder Rua da Prata gelegen, erreicht man von der Rua Augusta aus in wenigen Schritten. Die Fassade des Hauses ist unscheinbar, ohne Freitreppen-Aufgang, ohne Säulenportal. Man tritt eben ein und findet sich sogleich, noch vor dem Durchschreiten der Drehsperre, bei der der Geldeinnehmer seinen mit Photographien und Ansichtskarten ausgestatteten Tisch hat, überrascht von der Weite und Tiefe der Vorhalle, die den Besucher bereits mit einem das Gemüt ergreifenden Naturbilde begrüßte. Man erblickte nämlich ungefähr in ihrer Mitte einen bühnenartigen Aufbau mit grasigem Boden, in dessen Hintergrund ein Waldesdickicht, teils gemalt, teils wirklich aus Stämmen und Laub bestehend, dunkelte. Davor aber, als sei er eben daraus hervorgetreten, stand im Grase auf schlanken, enggestellten Beinen ein weißer Hirsch, hochgekrönt mit ausladendem Geweih aus Schaufeln und Spießen, würdevoll und zugleich wachsam-flüchtig von Ansehen, die Öffnung der seitlich gespannten Ohren unter dem Geweih nach vorn gewandt, aus weit auseinanderliegenden und glänzenden, zwar ruhigen, aber aufmerksamen Augen dem Eintretenden entgegenblickend. Das Oberlicht der Halle fiel gerade auf den Grasplatz und die schimmernde Gestalt der Kreatur so stolz und vorsichtig. Man fürchtete, sie werde mit einem Satz im Dunkel der Waldesdekoration verschwinden, wenn man einen Schritt vorwärts täte. Und so verharrte ich in Scheu, gebannt von der Scheue des einsamen Wildes dort drüben, an meinem Ort, ohne gleich Senhor Hurtado’s gewahr zu werden, der, die Hände auf dem Rücken, wartend zu Füßen des Podiums stand. Von da kam er auf mich zu, gab dem Mann der Kasse ein Zeichen, daß das Eintrittsgeld entfalle, und drehte die Kreuz-Barriere für mich unter freundlichen Begrüßungsworten.
    »Ich sah Sie gefesselt, Herr Marquis«, sagte er, »von unserem Empfangsherrn, dem weißen Schaufler. Sehr begreiflich. Ein gutes Stück. Nein, nicht ich habe es auf die Beine gestellt. Das ist von anderer Hand geschehen, vor meiner Verbindung mit dem Institut. Der Herr Professor erwartet Sie. Darf ich mir erlauben …«
    Aber er mußte es lächelnd zulassen, daß ich erst einmal hinüberstrebte zu der prächtigen Tiergestalt, um sie, die glücklicherweise nicht wirklich flüchtig werden konnte, recht aus der Nähe zu betrachten.
    »Kein Damhirsch«, erläuterte Hurtado, »sondern von der Klasse der Edel-Rothirsche, die zuweilen weiß sind. Übrigens spreche ich vermutlich zu einem Kenner. Sie sind Weidmann, nehme ich an?«
    »Nur gelegentlich. Nur wenn gerade die gesellschaftlichen Umstände es mit sich bringen. Hier ist mir nichts weniger als weidmännisch zu Sinn. Ich glaube, ich könnte nicht anlegen auf den da. Er hat ja was Legendäres. Und dabei – nicht wahr, Senhor Hurtado, dabei ist doch der Hirsch ein Wiederkäuer?«
    »Gewiß, Herr Marquis. Wie seine Vettern, das Rentier und der Elch.«
       »Und wie das Rind. Sehen Sie, man sieht es. Er hat etwas Legendäres, aber man sieht es. Er ist weiß, ausnahmsweise, und sein Geweih gibt ihm etwas vom König des Waldes, und sein Geläuf ist zierlich. Aber der Körper verrät die Familie, – gegen die ja nichts einzuwenden ist. Vertieft man sich in den Rumpf und das Hinterteil und denkt etwa dabei an das Pferd – es ist nerviger, das Pferd, obgleich es bekanntlich vom Tapir stammt –, so kommt der Hirsch einem vor wie eine gekrönte Kuh.«
       »Sie sind ein kritischer Beobachter, Herr Marquis.«
       »Kritisch? Aber nein. Ich habe Sinn für die Formen und Charaktere des Lebens, der Natur, das ist alles. Gefühl dafür. Eine gewisse Begeisterung. Die Wiederkäuer haben, nach allem, was ich davon weiß,

Weitere Kostenlose Bücher