Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
lang für seine Statur, eine Hand am Geweih eines Hirsches, den er erschlagen und eben zur Höhle hereinschleppte. Kurzhalsig, langarmig und wenig strack waren sie alle: die Leute am Feuer, der Knabe, der dem Ernährer und Beutebringer achtungsvoll entgegensah, und das Weib, das, ein Kind an der nährenden Brust, aus einer Hinterhöhle hervortrat. Das Kind aber, siehe, war ganz wie ein Brustkind von heute, entschieden modern und fortgeschritten über den Stand der Großen, doch würde es wachsend wohl auch noch auf diesen zurückfallen.
Nicht trennen konnte ich mich von den Neandertalern, dann aber ebensowenig von dem Sonderling, der vor vielen Jahrhunderttausenden einsam in nackter Felsenhöhle kauerte und mit seltsamem Fleiß die Wände mit Bildern von Wisenten, Gazellen und anderem Jagdgetier, auch Jägern dazu, bedeckte. Seine Gesellen betrieben wohl draußen die Jagd in Wirklichkeit, er aber malte sie mit bunten Säften, und seine beschmierte Linke, mit der er sich bei der Arbeit gegen die Felswand stützte, hatte mehrfache Abdrücke zwischen den Bildern darauf zurückgelassen. Lange sah ich ihm zu und wollte trotzdem, als wir schon weiter waren, noch einmal zu dem fleißigen Sonderling zurückkehren. »Hier ist aber noch einer«, sagte Kuckuck, »der ritzt, was ihm vorschwebt, so gut er kann in einen Stein.« Und dieser emsig ritzend über den Stein Gebückte war auch sehr rührend. Kühn und wehrhaft aber war der, der auf einem Teater mit Hunden und einem Speer das wütende Wildschwein anging, das sich, sehr wehrhaft ebenfalls, doch auf untergeordnet-natürliche Weise, zum Kampfe stellte. Zwei Hunde – es war eine kuriose, heute nicht mehr gesehene Rasse, Torfspitze, wie der Professor sie nannte, die der Mensch der Pfahlbauzeit sich gezähmt hatte – lagen schon, aufgeschlitzt von seinem Gebrech, im Grase, aber es hatte mit vielen zu tun, ihr Herr hob zielend die Lanze, und da der Ausgang der Sache nicht zweifelhaft sein konnte, gingen wir weiter und überließen das Schwein seinem untergeordneten Schicksal. Es war eine schöne Meereslandschaft zu sehen, wo Fischer am Strand ihrem unblutigen, doch auch überlegenen Handwerk oblagen; mit Flachsnetzen taten sie einen guten Fang. Nebenan nun aber ging es ganz anders zu als irgendwo sonst, bedeutender als bei den Neandertalern, dem Wildschweinjäger, den netzeinholenden Fischern und selbst bei den sonderlich Fleißigen: Steinsäulen waren errichtet, eine Menge davon; sie ragten unüberdacht, es war wie ein Säulensaal, nur mit dem Himmel als Decke, und in der Ebene draußen ging eben die Sonne auf, rot flammend hob sie sich über den Weltrand. Im dachlosen Saal aber stand ein Mann von kräftigem Gliederbau und brachte, die Arme erhoben, der aufgehenden Sonne einen Blumenstrauß dar! Hatte man je so etwas gesehen? Der Mann war kein Greis und kein Kind, er war im rüstigsten Alter. Und eben daß er so rüstig und stark war, verlieh seiner Handlung eine besondere Zartheit. Er und die mit ihm lebten und ihn aus irgendwelchen persönlichen Gründen für sein Amt ausgesondert hatten, verstanden noch nicht zu bauen und zu decken; sie konnten nur Steine aufeinandersetzen zu Pfeilern, die einen Bezirk bildeten, um Handlungen darin vorzunehmen, wie der Kräftige hier eine vollzog. Die rohen Pfeiler waren kein Grund zum Hochmut. Der Fuchs- und der Dachsbau und das vorzüglich geflochtene Vogelnest zeugten sogar von mehr Witz und Kunst. Allein sie waren nichts weiter als zweckmäßig – Schlupf und Brut, darüber ging ihr Sinn nicht hinaus. Mit dem Pfeilerbezirk war es etwas anderes; Schlupf und Brut hatten mit ihm nichts zu tun, sie waren unter seinem Sinn, der, abgelöst von gewitzter Bedürftigkeit, sich aufschwang zu noblem Bedürfnis, – und da hätte wahrhaftig nur sonst in aller Natur jemand kommen sollen und auf den Gedanken verfallen, der wiederkehrenden Sonne einen Blumenstrauß dienstlich zu präsentieren!
Mein Kopf war heiß auf leicht fiebrige Weise von dringlichem Schauen, während ich in meinem vielverschenkten Herzen diese Herausforderung ergehen ließ. Den Professor hörte ich sagen, nun hätten wir alles gesehen und könnten wieder hinaufsteigen und weiter hinauf sodann in die Rua João de Castilhos, wo uns seine Damen zum Frühstück erwarteten.
»Fast hätte man es vergessen können über solcher Besichtigung«, erwiderte ich und hatte es doch keineswegs vergessen, vielmehr den Gang durchs Museum geradezu als Vorbereitung
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