Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
heutigen Mittagstisch ja freiwillig gewählt und gewiß nicht erwartet, daß man meinetwegen besondere Umstände machen werde. Man hatte bestimmt einige Umstände gemacht, aber ich überging diesen Punkt und ließ mich nur darüber aus, wie ich so gar keinen Anlaß hätte, mich nach der Küche meines Avenida-Hotels zu sehnen, und entzückt sei, diese Mahlzeit in einem so distinguierten und auf alle Weise gewinnenden Familienkreise einnehmen zu dürfen, auch wohl im Gedächtnis behielte, wem ich diese Gunst zu danken hätte. Dabei küßte ich der Senhora die Hand, die Augen dabei auf Zouzou gerichtet.
Sie begegnete scharf meinem Blick, die Brauen etwas zusammengezogen, die Lippen getrennt, mit gespannten Nüstern. Gern stellte ich fest, daß die Gemütsruhe, die glücklicherweise ihren Umgang mit Dom Miguel bestimmte, sich keineswegs auch in ihrem Verhalten zu mir wiederfand. Sie ließ kaum die Augen von mir, beobachtete, ohne es zu verbergen, jede meiner Bewegungen und lauschte ebenso unverhohlen, genau und gleichsam im voraus zornig, auf jede meiner Äußerungen, wobei sie nie eine Miene – etwa zum Lächeln – verzog, sondern nur manchmal kurz und abschätzig die Luft durch die Nase ausstieß. Mit einem Wort: eine stachlichte und eigentümlich streitbare Gereiztheit war es offenbar, was meine Gegenwart ihr erregte, und wer will es mir verargen, daß ich diese Art von – wenn auch feindseliger – Beteiligtheit an meiner Person besser und hoffnungsvoller fand als Gleichgültigkeit?
Das Gespräch, französisch geführt, wobei der Professor und ich manchmal ein paar deutsche Worte wechselten, drehte sich noch um meinen Museumsbesuch und die zur Allsympathie bewegenden Eindrücke, die ich ihm zu verdanken erklärte, berührte den bevorstehenden Ausflug nach dem Botanischen Garten und fiel dann auf jene architektonischen Sehenswürdigkeiten nahe der Stadt, die ich mir nicht entgehen lassen dürfe. Ich beteuerte meine Neugier und daß ich den Rat meines verehrten Reisegefährten wohl im Sinne hielte, mich in Lissabon nicht zu flüchtig umzusehen, sondern seinem Studium genügend Zeit zu widmen. Aber um die Zeit eben sei es mir bange; mein Reiseplan gewähre mir allzu wenig davon, und wirklich finge ich an, mit der Frage umzugehen, wie er sich zur Verlängerung meines Aufenthalts dahier werde ändern lassen.
Zouzou, die es liebte, über meinen Kopf hinweg von mir in der dritten Person zu sprechen, äußerte stachlig, man tue gewiß unrecht, monsieur le Marquis zur Gründlichkeit anhalten zu wollen. Nach ihrer Meinung heiße das meine Gewohnheiten verkennen, die zweifellos eher denen eines Schmetterlings glichen, der von Blüte zu Blüte gaukle, um überall nur flüchtig ein wenig Süßigkeit zu nippen. Es sei reizend, erwiderte ich, indem ich ihren Redestil nachahmte, daß Mademoiselle sich, wenn auch etwas verfehlt, mit meinem Charakter beschäftige – und besonders hübsch, daß sie es in so poetischen Bildern tue. Da wurde sie noch stachlichter und sagte, bei soviel Glanz, wie er ausstrahle von meiner Person, sei es schwer, nicht ins Poetische zu verfallen. Der Zorn sprach aus ihren Worten nebst der früher geäußerten Überzeugung, daß man die Dinge bei Namen nennen müsse und »Schweigen nicht gesund« sei. Die beiden Herren lachten, während die Mutter ihr aufsässiges Kind mit einem Kopfschütteln ermahnte. Was mich betrifft, so hub ich nur huldigend das Glas gegen Zouzou, und, von Erbitterung verwirrt, wollte sie schon nach dem ihren greifen, zog aber errötend die Hand davon zurück und half sich wieder mit jenem kurz wegwerfenden Schnauben durch das Näschen. Auch mit meinen weiteren Reisevorhaben, die mir den Aufenthalt in Lissabon so unliebsam verkürzen wollten, beschäftigte sich die Unterhaltung, besonders mit der argentinischen Estanciero-Familie, deren Bekanntschaft meine Eltern in Trouville gemacht und deren Gastfreundschaft mich erwartete. Ich gab über sie Auskunft nach den Unterweisungen, mit denen der zu Hause Gebliebene mich versehen. Diese Leute hießen einfach Meyer, aber auch Novaro, denn dies war der Name ihrer Kinder, einer Tochter und eines Sohnes, die aus Frau Meyers erster Ehe stammten. Sie war, so berichtete ich, aus Venezuela gebürtig und hatte sich, sehr jung, einem Argentinier in staatsamtlicher Stellung vermählt, der in der Revolution von 890 erschossen worden war. Nach Einhaltung eines Trauerjahres hatte sie dem reichen Konsul Meyer die Hand zum Ehebunde gereicht
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