Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
einbildete. Sie kam vom Tennisspiel mit irgendwelchen jungen Bekannten, deren Namen etwa Cunha, Costa und Lopes lauteten. Sie gab über das Spiel des einen und der anderen anerkennende und abschätzige Urteile ab, die darauf schließen ließen, daß sie selbst sich für eine Meisterin erachtete. Mich fragte sie mit einer Kopfwendung über die Schulter, ob ich spielte, und wiewohl ich nur manchmal, einst in Frankfurt, als Zaungast am Rande von Tennisplätzen zugesehen – allerdings sehr inständig zugesehen – hatte, wie elegante junge Leute das Spiel betrieben, sogar gelegentlich, des Taschengeldes halber, auf solchen Plätzen den Balljungen gemacht, verlaufene Bälle aufgehoben und sie den Spielern zugeworfen oder sie ihnen aufs Racket gelegt hatte, was aber auch alles war, – antwortete ich leichthin, ich sei früher einmal, zu Hause, auf dem Spielfeld von Schloß Monrefuge kein schlechter Partner gewesen, sei aber seitdem recht sehr aus der Übung gekommen.
Sie zuckte die Achseln. Wie freute es mich, die hübschen Zipfel ihres Haars vor den Ohren, ihre geschürzte Oberlippe, den Schmelz ihrer Zähne, diese reizende Kinn- und Kehllinie, den unwirsch forschenden Blick dieser schwarzen Augen unter den ebenmäßigen Brauen wiederzusehen! Sie trug ein schlichtes weißes Leinenkleid mit Ledergürtel und kurzen Ärmeln, die ihre süßen Arme fast ganz frei ließen, – Arme, die an Zauber für mich noch gewannen, wenn sie sie bog und mit beiden Händen an dem goldenen Schlänglein nestelte, das ihr als Haarschmuck diente. Gewiß, Senhora Maria Pia’s rassige Hoheit beeindruckte mich bis zur Erschütterung; aber der Schlag meines Herzens galt doch ihrem liebreizenden Kinde, und die Idee, daß diese Zouzou die Zaza des auf Reisen befindlichen Loulou Venosta sei oder werden müsse, setzte sich immer eigensinniger in meiner Vorstellung fest, obgleich ich mir der enormen Schwierigkeiten voll bewußt war, die sich dieser Ordnung der Dinge entgegenstellten. Wie sollten wohl die sechs, sieben Tage, die mir bis zu meiner Einschiffung blieben, hinreichen, um es unter den sprödesten Umständen zum ersten Kuß auf diese Lippen, auf einen dieser köstlichen Arme (mit dem urzeitlichen Knochengerüst) zu bringen? Damals gleich drängte sich mir der Gedanke auf, daß ich unbedingt die überknappe Frist verlängern, das Programm meiner Reise ändern, ein Schiff überschlagen müsse, um meinem Verhältnis zu Zouzou Zeit zu geben, sich zu entwickeln.
Welche närrischen Ideen schossen mir nicht durch den Kopf! Die Heiratswünsche des zu Hause gebliebenen anderen Ich schoben sich meinem Denken unter. Mir war, als müsse ich meine Eltern in Luxemburg um die zur Ablenkung vorgeschriebene Weltreise betrügen, Professor Kuckucks reizende Tochter freien und als ihr Gatte in Lissabon bleiben, – da mir doch nur allzu klar und schmerzlich bewußt war, daß das zart Schwebende meiner Existenz, ihr heikles Doppelgängertum mir gänzlich verbot, es solcherart mit der Wirklichkeit aufzunehmen. Dies wie gesagt, tat mir weh. Aber wie froh war ich doch auch wieder, den neuen Freunden in dem gesellschaftlichen Range begegnen zu können, welcher der Feinheit meiner Substanz entsprach!
Unterdessen ging man ins Speisezimmer hinüber, das
von einem für den Raum zu großen und gewichtigen, überreich geschnitzten Nußholz-Buffet beherrscht war. Der Professor saß der Tafel vor. Ich hatte meinen Platz neben der Hausfrau, Zouzou und Herrn Hurtado gegenüber. Ihr Nebeneinander, zusammen mit meinen leider verbotenen Heiratsträumen, ließ mich mit einer gewissen Unruhe das Verhalten der beiden zueinander beobachten. Der Gedanke, daß der Langhaarige und das reizende Kind füreinander bestimmt sein könnten, lag nur zu nahe und wollte mir Sorgen machen. Indessen sah das Verhältnis zwischen ihnen sich so spannungslos und gleichmütig an, daß mein Argwohn sich zur Ruhe begab. Eine ältere wollhaarige Magd trug das Essen auf, das recht gut war. Es gab Hors-d’oeuvres mit köstlichen heimischen Sardinen, einen Hammelbraten, Rahmbaisers zum Dessert und danach noch Früchte und Käsegebäck. Ein recht heißer Rotwein wurde zu dem allen geschenkt, den die Damen mit Wasser mischten und von dem der Professor überhaupt nicht trank. Dieser glaubte bemerken zu sollen, daß, was das Haus zu bieten habe, natürlich nicht mit den Gerichten vom ›Savoy Palace‹ rivalisieren könne, worauf Zouzou sofort, noch ehe ich antworten konnte, einwarf, ich hätte meinen
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