Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Consul Meyer.
Mit Segenswünschen
Maman
Zehntes Kapitel
W enn ich der wunderbar vornehmen Fuhrwerke, der blitzblanken Viktorias, Phaetons und mit Seide ausgeschlagenen Coupés gedenke, die ich später vorübergehend mein eigen nannte, so rührt mich das kindliche Vergnügen, mit dem ich mich während jener Lissabonner Wochen eines gerade nur anständigen Mietswagens bediente, der mir nach Übereinkunft mit einer Lohnkutscherei zu jeweiliger Verfügung stand, so daß ich den Concierge des ›Savoy Palace‹ nur von Fall zu Fall danach zu telephonieren lassen brauchte. Im Grunde war es nicht mehr als eine Droschke, allerdings mit zurücklegbarem Verdeck und eigentlich doch wohl ein ehemaliger, an das Fuhrgeschäft veräußerter viersitziger Herrschaftswagen. Pferde und Geschirr konnten sich allenfalls sehen lassen, und eine geziemend private Tracht des Kutschers, mit Rosettenhut, blauem Rock und Stulpenstiefeln, hatte ich gegen ein leichtes Aufgeld zur Bedingung gemacht.
Gern bestieg ich vor meinem Hotel den Wagen, dessen Schlag ein Page mir öffnete, während der Kutscher, wie ich ihn angewiesen, die Hand an der Krempe seines Zylinders, sich ein wenig vom Bocke neigte. Unbedingt brauchte ich ein solches Gefährt, nicht nur zu Spazier- und Corsofahrten, die ich zu meiner Unterhaltung in den Parks und auf den Promenaden unternahm, sondern auch, um mit einiger Stattlichkeit gesellschaftlichen Einladungen folgen zu können, die der Abend beim Gesandten nach sich zog und zu denen auch wohl die Audienz beim König anregte. So baten mich jener reiche Weinexporteur, der Saldacha hieß, und seine außergewöhnlich beleibte Frau zu einer Garden Party auf ihrer prächtigen Besitzung vor der Stadt, wo denn, da die Lissabonner Gesellschaft allgemach aus ihren Sommerfrischen zurückkehrte, viel schöne Welt mich umgab. Ich fand sie in leichten Abwandlungen und weniger zahlreich wieder bei zwei Diners, von denen das eine der griechische Geschäftsträger, Fürst Maurocordato, und seine klassisch schöne, dabei erstaunlich entgegenkommende Gemahlin anboten, das andere von Baron und Baronin Vos von Steenwyk auf der Holländischen Gesandtschaft gegeben wurde. Bei diesen Gelegenheiten konnte ich mich denn auch im Schmuck meines Roten Löwen zeigen, zu dem mich jeder beglückwünschte. Viel hatte ich auf der Avenida zu grüßen, denn meine distinguierten Bekanntschaften mehrten sich; doch hielten sich all diese im Oberflächlichen und Formellen, – richtiger: aus Gleichgültigkeit hielt ich sie darin, da meine wahren Interessen an das weiße Häuschen dort oben, an das Doppelbild von Mutter und Tochter gebunden waren.
Kaum brauche ich zu sagen, daß ich nicht zuletzt, sondern zuerst um ihretwillen mir den Wagen hielt. Konnte ich ihnen doch damit das Vergnügen des Spazierenfahrens bereiten, zum Beispiel nach den historischen Stätten, deren Schönheit ich dem König im voraus gerühmt hatte; und nichts war mir lieber, als auf einem der Rückplätze meiner Leih-Equipage ihnen beiden, der Mutter, hehr vor Rasse, und ihrem reizenden Kinde gegenüberzusitzen, neben Dom Miguel etwa, der das eine und andere Mal sich zum Mitkommen frei machte, – namentlich zu dem Schloß- und Klosterbesuch kam er als Erläuterer des Sehenswürdigen mit.
Den Fahrten und Ausflügen voran ging immer, ein- bis zweimal die Woche, der Tennis-Sport mit anschließendem intimem Déjeuner im Hause Kuckuck. Mein Spiel, das ich zuweilen als Zouzou’s Partner, zuweilen als ihr Gegner, zuweilen auch, wie es kam, fern von ihr auf dem anderen Felde übte, gewann sehr rasch an Ausgeglichenheit. Die Bravourleistungen jäher Inspiration verschwanden zusammen mit den lächerlichsten Enthüllungen der Unkunde, und ich bot anständiges Mittelmaß, mochte auch die spannende Gegenwart der Geliebten meinem Tun und Treiben mehr körperlichen Geist – wenn man so sagen kann – ver leihen, als dem Durchschnitt vergönnt ist. Hätten sich dem Alleinsein mit ihr nur weniger Schwierigkeiten entgegengestellt! Die Gebote einer südlichen Sittenstrenge waren ihm eindrucksvoll, aber störend im Wege. Kein Gedanke daran, daß ich Zouzou von ihrem Hause zum Spiel hätte abholen dürfen; wir trafen uns erst an Ort und Stelle. Auch keine Möglichkeit, den Heimweg vom Spielplatz zur Villa Kuckuck mit ihr zu zweien zurückzulegen: als verstehe sich das von selbst, hatten wir immer Begleitung. Von der Undenkbarkeit irgendeines Tête-à-têtes mit ihr im Hause selbst, vor oder
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