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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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vierzehn bis achtzehn Tage nach Abgang des meinen, ein Brief meiner Frau Mutter bereitete, welchen bei meiner Rückkehr von einem Ausgange der Concierge mir überreichte. In deutscher Sprache geschrieben, lautete er wie folgt:

    Victoria Marquise de Venosta née de Plettenberg Schloß Monrefuge, den 3. Sept. 895

    Mein lieber Loulou!
    Dein Brief vom 25. vorigen Monats ist Papa und mir richtig zuhanden gekommen, und beide danken wir Dir für Deine gewissenhafte und unstreitig interessante Ausführlichkeit. Deine Schrift, mein guter Loulou, ließ immer zu wünschen übrig und ist nach wie vor nicht ohne Manieriertheit, aber Dein Stil hat gegen früher entschieden an Gepflegtheit und angenehmer Politur gewonnen, was ich zum Teil dem mehr und mehr bei Dir sich geltend machenden Einfluß der wort- und espritfreundlichen Pariser Atmosphäre zuschreibe, welche Du so lange geatmet hast. Außerdem ist es wohl eine Wahrheit, daß der Sinn für gute, gewinnende Form, der Dir stets zu eigen war, da wir ihn in Dich gepflanzt haben, eine Sache des ganzen Menschen ist und nicht bei den körperlichen Manieren haltmacht, sondern sich auf alle persönlichen Lebensäußerungen, also auch auf die schriftliche wie mündliche Ausdrucksweise erstreckt.
       Übrigens nehme ich nicht an, daß Du wirklich zu Seiner Majestät König Carl dermaßen rednerisch-elegant gesprochen hast, wie Dein Bericht vorgibt. Das ist gewiß eine briefstellerische Fiktion. Nichtsdestoweniger hast Du uns ein Vergnügen damit gemacht, und zwar vor allem durch die Gesinnungen, welche Du vorzutragen Gelegenheit nahmest, und mit denen Du Deinem Vater und mir ebenso nach dem Gemüte gesprochen hast wie dem hohen Herrn. Beide teilen wir vollkommen Deine Auffassung von der Gottgewolltheit der Unterschiede von Reich und Arm, Vornehm und Gering auf Erden und von der Notwendigkeit des Bettlerstandes. Wo bliebe auch die Gelegenheit zur Wohltätigkeit und zum guten Werke christlichen Sinnes, wenn es nicht Armut und Elend gäbe?
       Dies einleitend. Ich mache Dir kein Hehl daraus, und Du hast es ja auch nicht anders erwartet, daß Deine in der Tat etwas eigenwilligen Dispositionen, der beträchtliche Aufschub, den Deine Weiterreise nach Argentinien erlitten, uns zunächst ein wenig verstimmten. Aber wir haben uns damit abgefunden, ja ausgesöhnt, denn die Gründe, die Du dafür anführst, lassen sich wohl hören, und mit Recht darfst Du sagen, daß die Ergebnisse Deine Beschlüsse rechtfertigen. Natürlich denke ich dabei in erster Linie an die Verleihung des Ordens vom Roten Löwen, die Du der Gnade des Königs und Deinem einnehmenden Verhalten bei ihm verdankst und zu welcher Papa und ich Dir herzlich gratulieren. Das ist eine recht ansehnliche Dekoration, wie man sie in so jungen Jahren selten erwirbt, und die, obgleich zweiter Klasse, nicht zweitklassig zu nennen ist. Sie gereicht der ganzen Familie zur Ehre.
       Es ist von diesem schönen Ereignis auch in einem Briefe der Frau Irmingard von Hüon die Rede, den ich fast gleichzeitig mit dem Deinen empfing, und worin sie mir, an Hand der Berichte ihres Gatten, von Deinen gesellschaftlichen Erfolgen Mitteilung macht. Sie wünschte damit das Mutterherz zu erfreuen und hat diesen Zweck auch vollkommen erreicht. Trotzdem muß ich, ohne Dich kränken zu wollen, sagen, daß ich ihre Schilderungen, bzw. die des Gesandten, mit einigem Erstaunen las. Gewiß, ein Spaßvogel warst Du immer, aber solche parodistischen Talente und Gaben burlesker Travestie, daß Du eine ganze Gesellschaft, einschließlich eines prinzlichen Geblütes, damit in Lachen auflösen und einem sorgen-beladenen König das Herz damit zu einer fast unmajestätischen Lustigkeit befreien konntest, hätten wir Dir doch nicht zugetraut. Genug, Frau von Hüons Brief bestätigt Deine eigenen Angaben darüber, und auch hier ist einzuräumen, daß der Erfolg die Mittel rechtfertigt. Es sei Dir verziehen, mein Kind, daß Du Deinen Darstellungen Einzelheiten aus unserem häuslichen Leben zugrunde legtest, die besser unter uns geblieben wären. Minime liegt, während ich schreibe, in meinem Schoß und würde sich gewiß unserer Nachsicht anschließen, wenn man ihren kleinen Verstand mit der Sache befassen könnte. Du hast Dir arge Übertreibungen und groteske Lizenzen zuschulden kommen lassen bei Deiner Produktion und besonders Deine Mutter einem recht lächerlichen Lichte ausgesetzt durch die Schilderung, wie sie kläglich verunreinigt und halb ohnmächtig im

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