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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nach Tische, im Salon oder wo immer, schweige ich ohnehin. Nur das Ausruhen auf einer der Bänke außerhalb der Umgitterung der Tennisplätze führte je und je einmal zu einem Gespräch mit ihr unter vier Augen, das dann regelmäßig mit der Anmahnung der Porträtzeichnungen, der Forderung, sie ihr zu zeigen, vielmehr: sie ihr auszuliefern, begann. Ohne die eigensinnige Teorie ihres Besitzrechtes auf die Blätter zu bestreiten, wich ich ihrem Verlangen immer unter dem triftigen Vorwand aus, daß es an einer sicheren Gelegenheit, ihr die Blätter zu unterbreiten, fehle. In Wahrheit zweifelte ich, ob ich sie diese gewagten Darstellungen je würde sehen lassen dürfen, und hing an diesem Zweifel, wie ich an ihrer ungestillten Neugier – oder welches Wort hier nun einzusetzen wäre – hing, weil die nichtgezeigten Bilder ein heimliches Band zwischen uns bildeten, das mich entzückte und das ich bewahrt wissen wollte.
       Ein Geheimnis mit ihr zu haben, irgendwie vor anderen im Einverständnis mit ihr zu sein – ob es ihr nun gefiel oder nicht –, war mir von süßer Wichtigkeit. So hielt ich darauf, von meinen gesellschaftlichen Erlebnissen zuerst ihr allein zu erzählen, bevor ich sie in ihrer Familie, bei Tische, zum besten gab –, und es für sie genauer, intimer, mit mehr Betrachtung zu tun, als später für die Ihren, so daß ich sie dann ansehen und mich in einem Lächeln der Erinnerung an das zuvor mit ihr Besprochene mit ihr finden konnte. Ein Beispiel war meine Begegnung mit der Fürstin Maurocordato, deren göttlich edle Gesichtszüge und Gestalt ein Benehmen so unerwartet machten, das keineswegs göttlich, sondern das einer Soubrette war. Ich hatte Zouzou erzählt, wie die Athenerin in einem Winkel des Salons mich beständig mit dem Fächer geklapst, ihre Zungenspitze dabei im Mundwinkel gezeigt, mit einem Auge gezwinkert und mir die losesten Avancen gemacht habe, – völlig uneingedenk der Würdenstrenge, die, so hätte man denken sollen, das Bewußtsein klassischer Schönheit einer Frau von Natur wegen zur Pflicht hätte machen müssen. Wir hatten uns auf unserer Bank längere Zeit über den Widerspruch ergangen, der da zwischen Erscheinung und Aufführung klaffte, und waren übereingekommen, daß entweder die Fürstin mit ihrer mustergültigen Beschaffenheit nicht einverstanden war, sie als langweiligen Zwang empfand und durch ihr Betragen dagegen revoltierte, – oder daß es sich um schiere Dummheit, um den Mangel an Bewußtsein und Sinn für sich selber handelte, den etwa ein schöner weißer Pudel zeigt, der, eben schneeig gebadet, geradeswegs eine Lehmpfütze besucht, um sich darin zu wälzen. All dies fiel weg, als ich dann auch beim Déjeuner des griechischen Abends, der Fürstin und ihrer vollkommenen Bildung gedachte.
    »– die Ihnen natürlich einen tiefen Eindruck hinterlassen hat«, sagte Senhora Maria Pia, wie immer sehr aufrecht, ohne sich anzulehnen und ohne das geringste Nachgeben des Rückens, mit leise schaukelnden Jettgehängen am Tische sitzend. Ich antwortete:
    »Eindruck, Senhora? Nein, gleich mein erster Tag in Lissabon hat mir Eindrücke von Frauenschönheit beschert, die mich, ich muß es gestehen, gegen weitere recht unempfänglich machen.« Dabei küßte ich ihr die Hand, während ich gleichzeitig mit einem Lächeln zu Zouzou hinüberblickte. So handelte ich immer. Das Doppelbild wollte es so. Wenn ich der Tochter eine Artigkeit sagte, so sah ich nach der Mutter, und umgekehrt. Die Sternenaugen des Hausherrn zuoberst der kleinen Tafel blickten auf diese Vorkommnisse mit vagem Wohlwollen, dem Erzeugnis der Siriusferne, aus der sein Zuschauen kam. Die Ehrerbietung, die ich für ihn empfand, litt nicht den geringsten Schaden durch die Wahrnehmung, daß sich bei meinem Werben um das Doppelbild jede Rücksicht auf ihn erübrigte.
    »Papa ist immer milde«, hatte Senhora Maria Pia zu Recht geäußert. Ich glaube, dies Familienhaupt würde mit derselben wohlwollenden Zerstreutheit und abgerückten Milde den Gesprächen zugehört haben, die ich mit Zouzou am Tennisplatz, oder wenn wir bei Ausflügen zu zweien gingen, führte und die unerhört genug waren. Sie waren es dank ihrem Grundsatz »Schweigen ist nicht gesund«, ihrer phänomenalen, gänzlich aus dem Rahmen des Akzeptierten fallenden Direktheit – und dank dem Gegenstande, an dem diese Umschweiflosigkeit sich bewährte: dem Tema der Liebe, zu dem sie bekanntlich »Pfui« sagte. Ich hatte deswegen meine liebe Not mit

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