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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ihr, denn ich liebte sie ja und gab ihr das auf alle Weise zu verstehen, und sie verstand es auch, aber wie! Die Vorstellungen, die dieses reizende Mädchen von der Liebe hegte, waren höchst seltsam und komisch verdächtigend. Sie schien darin etwas wie das heimliche Treiben unartiger kleiner Buben zu sehen, schien auch das »Liebe« genannte Laster ganz allein dem männlichen Geschlecht zuzuschreiben und dafürzuhalten, das weibliche hätte gar nichts damit zu tun, sei von Natur nicht im mindesten dazu angelegt, und nur die jungen Männer seien beständig darauf aus, es in dies Unwesen hineinzuziehen, es dazu zu verlocken, und zwar durch Courmacherei. Ich hörte sie sagen:
       »Da machen Sie mir wieder den Hof, Louis« (ja, es ist wahr, sie hatte angefangen, mich unter vier Augen zuweilen »Louis« zu nennen, wie ich sie »Zouzou« nannte), »raspeln Süßholz und sehen mich dringlich – oder soll ich sagen zudringlich? nein, ich soll sagen: liebevoll, aber das ist ein Lügenwort – mit Ihren blauen Augen an, die, wie Sie wissen, nebst Ihrem blonden Haar so überaus wundersam mit Ihrem brünetten Teint kontrastieren, daß man nicht weiß, was man von Ihnen denken soll. Und was wollen Sie? Worauf haben Sie’s abgesehen bei Ihren schmelzenden Worten und Blicken? Auf etwas unsagbar Lächerliches, Absurdes und Kindisch-Unappetitliches. Ich sage: unsagbar, aber es ist natürlich gar nicht unsagbar, und ich sage es. Sie wollen, ich soll dareinwilligen, daß wir uns umschlingen, der eine Mensch den anderen, von der Natur sorgsam von ihm getrennten und abgesonderten, und daß Sie Ihren Mund auf meinen drücken, wobei unsere Nasenlöcher kreuzweis stehen und einer des anderen Atem atmet, eine widrige Unschicklichkeit und nichts weiter, doch zum Genuß verdreht durch die Sinnlichkeit, – so nennt man das, ich weiß es wohl, und was das Wort meint, ist ein Sumpf von Indiskretion, worein ihr uns locken wollt, damit wir mit euch darin von Sinnen kommen und zwei gesittete Wesen sich aufführen wie Menschenfresser. Das ist es, worauf Sie hinauswollen bei der Courschneiderei.«
    Sie schwieg und brachte es fertig, ganz ruhig dazusitzen ohne beschleunigtes Atmen, ohne jedes Anzeichen von Erschöpfung nach diesem Ausbruch von Direktheit, der aber gar nicht als Ausbruch wirkte, sondern nur als Befolgung des Grundsatzes, daß man die Dinge bei Namen nennen müsse. Ich schwieg auch, erschrocken, gerührt und betrübt.
    »Zouzou«, sagte ich schließlich und hielt einen Augenblick meine Hand über der ihren, ohne sie zu berühren, vollführte auch dann mit derselben Hand wiederum in einigem Abstand, in der Luft also, eine gleichsam schützende Bewegung über ihr Haar hin und an ihr hinab, – »Zouzou, Sie tun mir recht weh, indem Sie mit solchen Worten – wie soll ich sie nennen, krude, grau sam, übermäßig wahr und gerade darum nur halbwahr, ja unwahr – die zarten Nebel zerreißen, mit denen das Gefühl für den Reiz Ihrer Person mir Herz und Sinn umspinnt. Moquieren Sie sich nicht über ›umspinnt‹! Ich sage absichtlich und bewußt ›umspinnt‹, weil ich mit poetischen Worten die Poesie der Liebe verteidigen muß gegen Ihre harsche, entstellende Beschreibung. Ich bitte Sie, wie reden Sie von der Liebe und von dem, worauf sie hinauswill! Die Liebe will auf gar nichts hinaus, sie will und denkt nicht über sich selbst hinaus, sie ist nur sie selbst und ganz in sich selbst verwoben – lachen Sie nicht durch Ihr Näschen über ›verwoben‹, ich sagte Ihnen ja, daß ich mich absichtlich poetischer – und das heißt einfach anständiger – Worte bediene im Namen der Liebe, denn sie ist grundanständig, und Ihre so harschen Worte sind ihr weit voraus auf einem Wege, von dem sie nichts weiß, selbst wenn sie ihn kennt. Ich bitte Sie, wie reden Sie vom Kuß, dem zartesten Austausch der Welt, stumm und lieblich wie eine Blume! Diesem unverhofften ganz wie von selbst Geschehen, dem süßen Sichfinden zweier Lippenpaare, über das das Gefühl nicht hinausträumt, weil es die unglaubhaft selige Besiegelung ist seiner Einigkeit mit einem anderen!«
    Ich versichere und schwöre: so sprach ich. Ich sprach so, weil Zouzou’s Art, die Liebe zu schimpfieren, mir wirklich kindisch schien und ich die Poesie für weniger kindisch erachtete als dieses Mädchens Krudität. Die Poesie aber wurde mir leicht von wegen des zart Schwebenden meiner Existenz, und ich hatte gut reden davon, daß Liebe auf nichts hinauswill und nicht weiter

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