Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
denken kann. Weiß doch der Himmel, sprach ich mit mir selbst, welche Reizungen und Erschütterungen man sich von einem Schriftwerke gewärtigt, das sich durch seine Aufschrift den Kriminalromanen und Detektivgeschichten an die Seite zu stellen scheint, – während doch meine Lebensgeschichte zwar seltsam und öfters traumähnlich sich anläßt, aber der Knalleffekte und aufregenden Verwicklungen gänzlich entbehrt! Und so glaubte ich den Mut sinken lassen zu müssen. Heute jedoch kamen mir durch einen Zufall die vorliegenden Aufsätze wieder vor Augen; nicht ohne Rührung durchlief ich aufs neue die Chronik meiner Kindheit und ersten Jugend; belebt, spann ich im Geiste an meinen Erinnerungen fort; und indem gewisse hervorstehende Momente meiner Lauf bahn sich aufs gegenwärtigste mir wieder vorstellten, konnte ich unmöglich umhin, zu denken, daß Einzelheiten, welche auf mich selbst eine so aufmunternde Wirkung ausüben, auch eine öffentliche Leserschaft müßten zu unterhalten imstande sein. Rufe ich mir beispielsweise jene Lebenslage zurück, als ich in einer berühmten Residenz des Reiches unter dem Namen eines belgischen Aristokraten in vornehmer Gesellschaft mit dem ebenfalls anwesenden Polizeidirektor, einem ungewöhnlich humanen und herzenskundigen Mann, bei Kaffee und Zigarre über Hochstaplerwesen und strafrechtliche Fragen plauderte; oder gedenke ich, um nur irgend etwas zu nennen, der Schicksalsstunde meiner ersten Verhaftung, als unter den eintretenden Kriminalbeamten sich ein junger Neuling befand, welcher, erregt durch die Größe des Augenblicks und verwirrt durch die Pracht meines Schlaf
zimmers, an die offene Tür pochte, sich bescheiden die Füße abstreifte und leise »Ich bin so frei« sagte, weswegen er von dem dicken Anführer der Gruppe einen wütenden Blick erhielt: so kann ich mich der freudigen Hoffnung nicht verschließen, daß meine Eröffnungen, sollten sie auch von den Fabeln der Romanschreiber in Hinsicht auf gröbere Aufregung und Befriedigung der gemeinen Neugier in den Schatten gestellt werden, ihnen dafür durch eine gewisse feine Eindringlichkeit und edle Wahrhaftigkeit desto sicherer den Rang ablaufen werden. Demgemäß also hat sich mir aufs neue die Lust entzündet, diese Denkschrift fortzusetzen und zu vollenden; und ich beabsichtige, mir dabei, was Reinlichkeit des Stiles und Schicklichkeit des Ausdrucks betrifft, womöglich eine noch größere Sorgfalt aufzuerlegen als bisher, um auch in den besten Häusern mit meinen Darbietungen bestehen zu können.
Zweites Kapitel
I ch nehme den Faden meiner Erzählung genau an
dem Punkte wieder auf, wo ich ihn habe fallen lassen: nämlich dort, wo mein armer Vater, durch die Hartherzigkeit der Mitwelt in die Enge getrieben, sich des Lebens entäußert hatte. Ihn auf fromme Art zur Erde zu bestatten bereitete Schwierigkeiten, denn die Kirche verhüllt ihr Antlitz vor seiner Tat, wie übrigens auch eine von kanonischen Lehrmeinungen freie Moral sie mißbilligen muß. Das Leben nämlich ist zwar keineswegs das höchste der Güter, an welches wir uns seiner Köstlichkeit wegen jedenfalls zu klammern hätten; sondern es ist als eine uns gestellte und, wie mir scheinen will, gewissermaßen selbst gewählte schwere und strenge Aufgabe zu betrachten, welche mit Standhaftigkeit und Treue durchzuhalten uns unbedingt obliegt und der vor der Zeit zu entlaufen zweifellos eine liederliche Aufführung bedeutet. In diesem besonderen Falle jedoch macht mein Urteil halt, um sich in das reinste Mitgefühl zu verkehren, – wie denn auch wir Hinterbliebenen großes Gewicht darauf legten, den Geschiedenen nicht ohne geistlichen Segen in die Grube fahren zu lassen: meine Mutter und Schwester der Leute wegen und aus Neigung zur Bigotterie (denn sie waren eifrige Katholikinnen); ich aber, weil ich von Natur erhaltenden Sinnes bin und wohltuend überlieferten Formen stets eine freie Anhänglichkeit gegenüber den Anmaßungen eines platten Fortschritts bewahrt habe. So übernahm ich es, da es den Frauen an Mut gebrach, den zuständigen Stadtpfarrer, Geistlichen Rat Chateau, zur Übernahme des Begängnisses zu bestimmen. Ich traf diesen heitersinnlichen Kleriker, der erst seit kurzem bei uns amtierte, bei seinem aus einer Kräuteromelette und einer Bouteille Liebfrauenmilch bestehenden zweiten Frühstück und ward gütig aufgenommen. Denn Geistlicher Rat Chateau war ein eleganter Priester, welcher den Adel und Glanz seiner Kirche persönlich
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