Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
aufs überzeugendste vertrat und zur Anschauung brachte. Obgleich klein und beleibt, besaß er doch viel Tournure, wiegte sich beim Gehen behend und gefällig in den Hüften und verfügte über die anmutigste Rundung der Gebärde. Seine Sprechweise war studiert und mustergültig, und stets sahen unter seiner aus feinem seidig-schwarzem Tuch gefertigten Soutane schwarzseidene Strümpfe und Lackschuhe hervor, Freimaurer und Antipapisten behaupteten, dieser letzteren bediene er sich so ausschließlich, weil er an riechendem Fußschweiß leide, doch halte ich das noch heute für böswilliges Gerede. Ob ich ihm gleich persönlich unbekannt war, lud er mich mit weißer und fetter Hand zum Sitzen ein, teilte mir von seiner Mahlzeit mit und gab sich den weltmännischen Anschein, als ob er meinen Angaben Glauben schenke: welche dahin lauteten, daß mein armer Vater, im Begriff, ein lange nicht benutztes Schießzeug zu untersuchen, von einer unversehens losgehenden Kugel unglücklicherweise durchbohrt worden sei. Dies also schien er zu glauben, und zwar aus Politik (denn die Kirche muß in so schlechten Zeiten wohl froh sein, wenn man sich, sei es auch lügnerischerweise, um ihre Gaben bewirbt), spendete mir menschliche Trostworte und erklärte sich priesterlich bereit, Beisetzung und Exequien abhalten zu wollen, für deren Kosten aufzukommen mein Pate Schimmelpreester sich edelherzig verpflichtet hatte. Seine Hochwürden machte sich hierauf einige Notizen über des Abgeschiedenen Lebensgang, den als zugleich ehrbar und fröhlich zu schildern ich mir angelegen sein ließ, und richtete endlich über meine eigenen Umstände und Aussichten einige Fragen an mich, die ich in allgemeiner und umschreibender Weise beantwortete. »Sie scheinen«, entgegnete er mir ungefähr, »mein lieber Sohn, sich bisher ein wenig läßlich betragen zu haben. Allein noch ist nichts verloren, denn Ihre persönliche Wirkung ist wohltuend, und insonderheit möchte ich Sie wegen Ihrer angenehmen Stimme loben. Ich sollte mich wundern, wenn Fortuna sich Ihnen nicht hold erweisen würde. Glücklich Angetretene und solche, die angenehm sind vor Gott, zu erkennen, mache ich mich jederzeit anheischig, denn des Menschen Schicksal steht in Charakteren, die dem Kundigen nicht unentzifferbar sind, an seiner Stirn geschrieben.« Und somit entließ er mich.
Froh über die Worte dieses geistreichen Mannes eilte ich zu den Meinen zurück, um ihnen den glücklichen Ausgang meiner Sendung zu melden. Leider freilich gestalteten sich die Funeralien trotz kirchlichen Beistandes keineswegs zu einer so würdigen Feier, wie es zu wünschen gewesen wäre, denn die Teilnahme der bürgerlichen Gesellschaft war äußerst gering, und das konnte, soweit unser Städtchen in Frage kam, am Ende nicht wundernehmen. Wo aber waren unsere auswärtigen Freunde, die in guten Tagen meines armen Vaters Feuerwerken zugesehen und an seinem ›Berncastler Doktor‹ sich gütlich getan hatten? Sie hielten sich abwesend, und zwar wahrscheinlich nicht sowohl aus Undankbarkeit, als ganz einfach weil es Leute waren, die für ernste und den Blick auf das Ewige lenkende Veranstaltungen keinen Sinn hatten und solche wie etwas Verstimmendes mieden, was gewiß auf eine niedrige Gemütsanlage deutet. Einzig Leutnant Übel vom Zweiten Nassauischen in Mainz hatte sich eingefunden, wenn auch nur in Zivil, und ihm war es zu verdanken, daß mein Pate Schimmelpreester und ich nicht ganz allein dem schwankenden Sarge zur Grabeshöhle folgten. Die Verheißung des geistlichen Herrn jedoch tönt in meinem Inneren fort, denn sie stimmte nicht nur mit meinen eigenen Ahnungen und Eindrücken vollkommen überein, sondern kam außerdem von einer Stelle, der ich in so geheimen Fragen eine besondere Maßgeblichkeit zubilligen durfte. Zu sagen, warum, wäre nicht jedermanns Sache; den Grund wenigstens anzudeuten, getraue ich mich wohl. Erstens nämlich bildet ohne Zweifel die Zugehörigkeit zu einer ehrwürdigen Stufenfolge, wie der katholische Klerus sie darstellt, den Sinn für menschliche Rangordnung viel feiner aus, als ein Leben auf der bürgerlichen Ebene das vermag. Allein diesen klaren Gedanken in Sicherheit gebracht, gehe ich noch einen Schritt weiter, indem ich mich bestrebe, andauernd logisch zu sein. Hier ist die Rede von einem Sinn und also von einem Bestandteil der Sinnlichkeit. Nun aber ist die katholische Form der Verehrung diejenige, welche, um ins Übersinnliche einzuführen, auf die Sinnlichkeit
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