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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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vorzüglich rechnet und wirkt, ihr auf den erdenklichsten Wegen Vorschub leistet und wie keine andere zur Vertiefung in ihre Geheimnisse anhält. Ein Ohr, gewöhnt an die erhabenste Musik, an Harmonien, welche die Ahnung höherer Chöre zu vermitteln geschaffen sind, – sollte es nicht reizbar genug sein, den inneren Adel eines menschlichen Stimmklanges zu belauschen? Ein Auge, bewandert in frommer Pracht, in Farben und Formen, welche die Herrlichkeit himmlischer Räume vertreten, – sollte es nicht der rätselhaft bevorteilten Anmut natürlicher Bildung besonders erschlossen sein? Ein Geruchsorgan, welches, im Dunstkreise der Kultstätte heimisch und vom Weihrauch entzückt, vorzeiten das liebliche Arom der Heiligkeit wahrgenommen hätte, – sollte es die immaterielle und doch auch wieder körperliche Ausdünstung eines Glücks- und Sonntagskindes nicht spüren können? Und wer eingeweiht ist, das oberste Geheimnis dieser Kirche, das Mysterium von Leib und Blut zu verwalten, – sollte er nicht befähigt sein, zwischen vornehmer und geringer menschlicher Substanz vermöge eines höheren Tastsinnes zu unterscheiden? – Mit diesen ausgesuchten Worten schmeichle ich mir, meine Gedanken so vollkommen wie möglich zum Ausdruck gebracht zu haben.
    Auf jeden Fall sagte die erhaltene Prophezeiung mir nichts, was Empfindung und Anschauung meiner selbst mir nicht auf das glücklichste bestätigt hätten. Zwar bemächtigte Niedergeschlagenheit sich bisweilen meines Geistes, denn mein Körper, welcher einst von Künstlerhand in sagenhafter Bedeutung auf die Leinwand gebannt worden war, stak in häßlicher, abgetragener Kleidung, und meine Stellung im Städtchen war verächtlich, ja verdächtig zu nennen. Aus anrüchigem Hause, Sohn eines Bankrottierers und Selbstmörders, verkommen als Schüler und ohne jedwede achtbare Lebensaussicht, war ich unter meinen Mitbürgern der Gegenstand finsterer und abschätziger Blicke, welche, obgleich sie von einer für mich schalen und reizlosen Menschenart ausgingen, eine Natur wie die meine doch schmerzhaft verwunden mußten und es mir, solange ich am Orte noch auszuhalten hatte, geradezu verleideten, mich auf öffentlicher Straße sehen zu lassen. In dieser Zeit wurde die Neigung zur Weltflucht und Menschenscheu weiter ausgebildet, die von jeher meinem Charakterbilde angehaftet hatte und mit werbender Anhänglichkeit an Welt und Menschen so einträchtig Hand in Hand zu gehen vermag. Und doch mischte sich in den Ausdruck jener Blicke – und sogar nicht nur beim weiblichen Teile der Einwohnerschaft war dies der Fall – ein Etwas, welches man als widerwillige Teilnahme hätte ansprechen können und das einer solchen innern Bemühung unter günstigeren Umständen das schönste Genüge verhieß. Heute, wo mein Antlitz abgemagert ist und meine Glieder die Merkmale des Alterns aufweisen, kann ich es mit Gelassenheit aussprechen, daß meine neunzehn Jahre alles gehalten hatten, was meine zarte Jugend versprach, und daß ich auch nach eigenem Dafürhalten zum gefälligsten Jüngling erblüht war. Blond und bräunlich zugleich, mit dem Schmelz meiner blauen Augen, dem bescheidenen Lächeln meines Mundes, dem verschleierten Reiz meiner Stimme, dem seidigen Glanz meines links gescheitelten, in einem anständigen Hügel aus der Stirn zurückgebürsteten Haares hätte ich meinen schlichten Landsleuten wie später den Bewohnern mehrerer Erdteile liebenswürdig erscheinen müssen, wenn nicht das verwirrende Bewußtsein meiner schiefen Lage ihren Blick umnebelt hätte. Mein Wuchs, der schon das Künstlerauge meines Paten Schimmelpreester befriedigt hatte, war keineswegs robust, an allen Gliedern und Muskeln jedoch so gleichmäßig-maßvoll entwickelt, wie es sonst nur bei Liebhabern des Sports und kräftigend-schmeidigender Spiele der Fall zu sein pflegt, – während ich doch nach Träumerart körperlichen Übungen von jeher durchaus abhold gewesen war und äußerlich gar nichts zu meiner leiblichen Ausbildung getan hatte. Ferner ist anzumerken, daß meine Haut von außerordentlich zarter Beschaffenheit und so sehr empfindlich war, daß ich trotz mangelnder Geldmittel darauf bedacht sein mußte, mir weiche und feine Seife zu halten, da geringe und wohlfeile Sorten mich schon nach kurzem Gebrauch bis aufs Blut beschädigten.
       Natürliche Gaben, angeborene Vorzüge pflegen ihrem Träger ein ehrerbietig-lebhaftes Interesse für seine Abstammung einzuflößen, und so war es mir damals eine

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