Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
die unsere Damen berechnenderweise so freigebig gewährten, war er in Liebe zu Olympia entbrannt, und mit der Begehrlichkeit brustschwacher Leute auf ihren Besitz bedacht, in jugendlicher Überschätzung auch wohl der Gediegenheit unserer Verhältnisse, sprach er eines Abends auf den Knien und beinahe weinend vor Ungeduld das entscheidende Wort. Heute nimmt es mich wunder, wie Olympia, die seine Empfindungen kaum erwiderte, die Stirn haben konnte, seine törichte Werbung anzunehmen, denn durch unsere Mutter war sie besser als ich über den Stand der Dinge unterrichtet. Aber sie gedachte wohl, sich beizeiten unter irgendein, wenn auch noch so gebrechliches Dach zu bringen, oder man mochte ihr bedeutet haben, daß ihr Verlöbnis mit einem Träger des zweifarbigen Ehrenkleides – aussichtsvoll oder nicht – geeignet sein werde, unsere Stellung nach außen zu stützen und zu fristen. Mein armer Vater, sogleich um seine Einwilligung angegangen, erteilte dieselbe nicht ohne stille Verlegenheit, worauf das Familienereignis den anwesenden Gästen bekanntgemacht, mit vielem Hallo begrüßt und reichlich mit ›Lorley extra cuvée‹, wie man sich ausdrückte, ›begossen‹ wurde. Von nun an kam Leutnant Übel beinahe täglich von Mainz herüber und schädigte seine Gesundheit nicht wenig durch das Zusammensein mit dem Gegenstand seiner krankhaften Gier. Sein Aussehen, wenn ich das Zimmer betrat, worin man die Brautleute ein Stündchen allein gelassen, war völlig zerstört und leichenhaft, und für ihn bedeutete die Wendung, welche die Dinge bald darauf nahmen, ohne Zweifel ein wahres Glück.
Um aber wieder von mir zu reden, so fesselte und beschäftigte mich in diesen Wochen hauptsächlich der Namenswechsel, welchen die Eheschließung für meine Schwester mit sich bringen würde und um den ich sie, wie ich mich lebhaft erinnere, bis zur Mißgunst beneidete. Sie, die so lange Olympia Krull geheißen, sie würde in Zukunft Olympia Übel zeichnen, und das hatte alle Reize der Neuheit und der Abwechslung für sich. Wie sehr ermüdend und langweilig ist es nicht, unter Briefen und Papieren ein Leben lang immer dieselbe Namensunterschrift ziehen zu müssen! Die Hand lahmt schließlich dabei vor Ekel und Überdruß! Welche Wohltat, welche Anregung, welche Erquickung des Daseins, sich mit einem neuen Namen vorzustellen und anreden zu hören! Die Möglichkeit, wenigstens einmal in der Mitte des Lebens den Namen zu wechseln, erschien mir als eine große Bevorzugung des weiblichen Geschlechts gegenüber den Männern, denen dies Labsal durch Gesetz und Ordnung so gut wie verwehrt ist. Was freilich mich betrifft, der nicht geboren war, im Schutze der bürgerlichen Ordnung das schlaffe und sichere Leben der großen Mehrzahl zu führen, so habe ich mich später, nicht ohne Erfindungsgabe zu bekunden, sehr oft über ein Verbot hinweggesetzt, das sowohl meiner Sicherheit wie meinem Unterhaltungsbedürfnis zuwiderlief, und schon hier verweise ich auf die eigentümlich leichte Schönheit jener Stelle in meinen Aufzeichnungen, wo ich zum erstenmal meinen amtlichen Namen wie ein abgetragenes und verschwitztes Kleidungsstück von mir tue, um mir – sogar mit einer gewissen Befugnis – einen neuen angedeihen zu lassen, welcher übrigens den des Leutnants Übel an Eleganz und Wohllaut bei weitem übertraf.
Während des Brautstandes meiner Schwester aber hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen, und der Ruin pochte, um mich bildlich auszudrücken, mit hartem Knöchel an unsere Tür. Die hämischen Gerüchte, welche über die wirtschaftliche Lage meines armen Vaters am Orte umgelaufen waren, die mißtrauische Zurückhaltung, deren man sich uns gegenüber befleißigt, die schlimmen Prophezeiungen, in denen man sich bezüglich unseres Hauswesens ergangen hatte, – all dies wurde zur unschönen Genugtuung jener Unken durch die Ereignisse aufs grausamste bestätigt, gerechtfertig und erfüllt. Es erwies sich, daß das konsumierende Publikum sich mehr und mehr gegen unsere Schaumweinmarke ablehnend verhalten hatte. Weder durch weitere Verbilligung (die selbstverständlich keine Aufbesserung der Beschaffenheit mit sich bringen konnte) noch durch die überaus verführerischen Reklamedessins, welche mein Pate Schimmelpreester wider besseres Wissen und aus reiner Gefälligkeit der Firma geliefert hatte, war die genußfreudige Welt für unseren Artikel zu gewinnen gewesen, die Bestellungen waren schließlich gleich Null, und eines Tages, im
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