Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Frühling des Jahres, in dem ich das achtzehnte meines Lebens vollendete, war es um meinen armen Vater geschehen. Ich ermangelte in jenem zarten Alter jeder geschäftlichen Einsicht, und auch mein späteres, auf Phantasie und Selbstzucht gestelltes Leben bot mir nur wenig Gelegenheit, merkantilische Kenntnisse zu erwerben. Ich unterlasse es daher, meine Feder an einem Gegenstande zu versuchen, den ich nicht beherrsche, und den Leser mit fachmännischen Auseinandersetzungen über das Falliment der Lorley-Schaumwein-Fabrik zu belästigen. Aber dem herzlichen Erbarmen will ich Ausdruck verleihen, das mir in jenen Monaten mein armer Vater einflößte. Je mehr und mehr versank er in eine stille Wehmut, welche sich darin äußerte, daß er seitwärts geneigten Hauptes irgendwo im Hause auf einem Stuhle saß und, während er mit den aufwärtsgebogenen Fingern seiner Rechten sanft seinen Bauch streichelte, unaufhörlich und ziemlich rasch mit den Lidern blinzelte. Des öfteren unternahm er Fahrten nach Mainz, – traurige Ausflüge, die wohl der Beschaffung klingender Münze, der Auffindung neuer Hilfsquellen galten und von denen er sehr niedergeschlagen zurückkehrte, indem er sich mit einem Batisttüchlein Stirn und Augen trocknete. Einzig bei den Abendgesellschaften, die nach wie vor in unserer Villa stattfanden, bei Tische, wenn er mit umgebundener Serviette und das Weinglas zur Hand den schmausenden Gästen vorsaß, konnte ihm noch das alte Behagen zurückkehren. Im Verlaufe eines solchen Abends jedoch entspann sich ein überaus bösar tiger und ernüchternder Wortwechsel zwischen meinem armen Vater und dem jüdischen Bankier, dem Gatten jener mit Jett überladenen Frauensperson, der, wie ich damals erfuhr, einer der verhärtetsten Halsabschneider war, welche jemals bedrängte und unbedachte Geschäftsleute in ihre Netze gelockt haben; und bald darauf erschien der ernste, schwer bedeutsame und für mich doch auch so abwechslungsvolle und belebende Tag, an welchem die Fabrik- und Kontorräume der Firma geschlossen blieben und eine Gruppe von kalt blickenden Herren mit gekniffenen Mündern sich in unserer Villa einfand, um unsere Habe mit Beschlag zu belegen. In ausgesuchten Wendungen und mit seinem treuherzig verschnörkelten Namenszug, den ich so meisterlich nachzubilden verstand, hatte mein armer Vater bei Gericht seine Zahlungsunfähigkeit erklärt, und das Konkursverfahren war feierlich eingeleitet worden.
An diesem Tage blieb ich, unserer Schande wegen, von welcher das Städtchen voll war, der Schule fern, – einer sogenannten Oberrealschule, wie erwähnt, welche völlig zu durchlaufen mir, wie ich hier beiläufig einflechten möchte, nicht vergönnt war: erstens, weil ich mich nie auch nur im geringsten bemüht hatte, aus meinem Widerwillen gegen den despotischen Stumpfsinn, der den Charakter dieser Anstalt bildete, ein Hehl zu machen, und namentlich auch zweitens, weil die Anrüchigkeit und schließliche Zerrüttung meiner häuslichen Verhältnisse die Lehrerschaft gegen mich einnahm, sie mit Haß und Verachtung gegen mich erfüllte. Auch zu diesem Osterfest, nach dem Bankrott meines armen Vaters, verweigerte man mir das Abgangszeugnis, indem man mich vor die Wahl stellte, entweder noch länger die Unbilden einer meinem Alter nicht mehr angemessenen Botmäßigkeit zu ertragen, oder die Schule unter Verzicht auf die mit ihrer Erledigung verbundenen gesellschaftlichen Vorrechte zu verlassen; und in dem frohen Bewußtsein, daß meine persönlichen Eigenschaften den Verlust dieser geringen Vorzüge mehr als wettmachten, wählte ich das letztere.
Der Zusammenbruch war vollständig, und es war klar, daß mein armer Vater ihn nur deshalb bis zum Äußersten hinausgeschoben und sich so tief in die Netze der Wucherer verstrickt hatte, weil er gewußt hatte, daß der Konkurs ihn völlig zum Bettler machen werde. Alles kam unter den Hammer: das Lager sowohl (aber wer zahlte wohl etwas für eine so verrufene Substanz, wie unser Schaumwein es war!) wie der Immobilienbesitz, das heißt die Kellereigebäude und unsere Villa, belastet wie sie waren mit Grundschulden, die sich auf mehr als zwei Drittel ihres Wertes beliefen und deren Zinsen seit Jahren nicht hatten bezahlt werden können; die Zwerge, Pilze und Steinguttiere unseres Gartens, ja selbst die Glaskugel und die Äolsharfe gingen den gleichen traurigen Weg; das Innere des Hauses ward jedes freundlichen Überflusses entkleidet, das Spinnrad, die
Weitere Kostenlose Bücher