Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
dringenden Arbeit zur Seite, rückte Möbel, befreite Teller und Tassen von schützender Holzwolle, schmückte Bort und Spint mit Küchengerät und ließ es mich nicht verdrießen, mit dem Hauswirt, einem abstoßend fettleibigen Mann von gemeinstem Betragen, über die in der Wohnung notwendig vorzunehmenden Ausbesserungen zu verhandeln, welche zu bestreiten dieser Wanst sich jedoch hartnäckig weigerte, so daß meine Mutter endlich, damit nicht die Fremdenzimmer einen verwahrlosten Anblick böten, in die eigene Tasche greifen mußte. Das kam sie sauer an, denn die Kosten des Um- und Einzugs waren erheblich gewesen, und wenn die zahlenden Pfleglinge ausblieben, so drohte der Bankbruch, bevor das Geschäft auch nur recht eröffnet war.
       Gleich am ersten Abend, als wir in der Küche stehend einige Spiegeleier zu Nacht speisten, hatten wir beschlossen, daß unser Betrieb zu frommer und froher Erinnerung ›Pension Loreley‹ zu nennen sei, auch diesen Beschluß meinem Paten Schimmelpreester auf einer gemeinsam unterfertigten Postkarte zur Gutheißung mitgeteilt; und schon am nächsten Tage eilte ich selbst mit einer zugleich bescheiden und verlockend abgefaßten Ankündigung, bestimmt, jenen poetischen Namen durch Fettdruck dem Publikum einzuprägen, auf die Expedition der gelesensten frankfurtischen Zeitung. Wegen einer Tafel, die, um die Vorübergehenden auf unser Institut aufmerksam zu machen, am äußeren Hause anzubringen sein würde, waren wir der Spesen halber mehrere Tage lang in Verlegenheit. Aber wer beschreibt unsern Jubel, als am sechsten oder siebenten nach unserer Ankunft ein Postpaket von rätselhafter Form aus der Heimat einlief, als dessen Absender mein Pate Schimmelpreester sich kundtat und welches ein viermal durchlöchertes, rechtwinklig umgebogenes Blechschild enthielt, worauf, von des Künstlers eigener Hand geschaffen, jene nur mit Schmuckstücken bekleidete Frauengestalt von unseren Flaschenetiketten nebst der in goldener Ölfarbe ausgeführten Inschrift ›Pension Loreley‹ prangte und welches, an der Ecke des Vorderhauses derart befestigt, daß die Felsenfee mit ihrer ausgestreckten, beringten Hand den Hofgang hinunter auf unsere Niederlassung hindeutete, sich von der schönsten Wirkung erwies.
    In der Tat hatten wir Zuspruch: erstens in der Person eines jungen Technikers oder Maschinen-Ingenieurs, eines ernsten, schweigsamen, ja mürrischen und offenbar mit seinem Lebenslose unzufriedenen Menschen, der jedoch pünktlich zahlte und einen mäßigen, gesetzten Wandel führte. Und kaum war er acht Tage bei uns, als gleich zwei Gäste auf einmal sich zugesellten: Angehörige des theatralischen Faches, – nämlich ein wegen völligen Verlustes seiner Stimmittel stellungsloser Bassist von der komischen Branche, dick und scherzhaft von Erscheinung, aber in wütender Laune ob seines Mißgeschicks und durch hartnäckige Übungen vergebens bestrebt, sein Organ wieder zu stärken, Übungen, welche sich anhörten, als ob jemand in dem Inneren einer Tonne erstickend um Hilfe riefe; und mit ihm sein weiblicher Anhang, eine rothaarige Choristin in schmutzigem Schlafrock und mit langen, rosagefärbten Fingernägeln, – ein kümmerlich leibarmes und, wie es schien, auf der Brust nicht ganz festes Geschöpf, welches der Sänger jedoch, sei es um irgendwelcher Verfehlungen willen oder auch nur, um seiner allgemeinen Erbitterung Luft zu machen, öfters vermittelst seiner Hosenträger empfindlich züchtigte, ohne daß sie darum an ihm und seiner Zuneigung im mindesten irre geworden wäre.
       Diese also bewohnten miteinander ein Zimmer, der Maschinist ein anderes; aber das dritte diente als Speisesaal, wo die geschickt aus wenigem hergestellten gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen wurden, und da ich aus naheliegenden Schicklichkeitsgründen nicht mit meiner Mutter ein Zimmer teilen wollte, so schlief ich in der Küche auf einer mit Bettzeug bekleideten Bank und wusch mich unter dem Strahl der Wasserleitung, eingedenk, daß dieser Zustand keinesfalles dauern könne und so oder so mein Weg sich über ein kleines wenden müsse.
       Pension Loreley begann zu florieren, vor Gästen sahen wir uns, wie ich zeigte, persönlich in die Enge getrieben, und mit Recht durfte meine Mutter eine Erweiterung des Unternehmens, die Anwerbung einer Dienstmagd von weitem ins Auge fassen. Auf jeden Fall war der Betrieb im Geleise, meine Mithilfe nicht weiter erforderlich, und, mir selbst überlassen, sah ich, bis ich nach

Weitere Kostenlose Bücher