Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
beobachteten Zurückhaltung persönliche Beziehungen zu einigen von ihnen sich hergestellt hatten.
Totenvogel, auch Leichenhühnchen nennt der Volksmund die kleine Sorte von Eulen oder Käuzchen, welche, so heißt es, nachts im Fluge gegen das Fenster Sterbenskranker stoßen und mit dem Rufe »Komm mit!« die ängstliche Seele ins Freie locken. Ist es nicht wunderlich, daß dieser Formel auch die anrüchige Schwesternschaft sich bedient, wenn sie, unter Laternen hinstreichend, die Männer frech und heimlich zur Wollust lädt? Einige sind beleibt wie Sultaninnen und in schwarzen Atlas gepreßt, gegen welchen die Puderweiße des feisten Gesichtes geisterhaft absticht; andere wiederum von verderbter Magerkeit. Ihre Zurichtung ist kraß und auf Wirkung im Hell-Dunkel der nächtlichen Straße berechnet. Himbeerfarbene Lippen glühen den einen im kreidigen Angesicht, während die anderen fettigen Rosenhauch auf ihre Wangen getragen haben. Ihre Brauen sind scharf und deutlich gewölbt, ihre Augen, durch Kohlestriche im Schnitt verlängert und am Rande des unteren Lides geschwärzt, zeigen vermöge der Einspritzung von Drogen oft einen übernatürlichen Glanz. Falsche Brillanten gleißen an ihren Ohren, große Federhüte nicken auf ihren Köpfen, und in der Hand tragen alle ein Täschchen, Ridikül oder Pompadour genannt, worin einiges Toilettegerät, Farbstift und Puder sowie gewisse Vorkehrungsmittel verborgen sind. So streichen sie, deinen Arm mit ihrem berührend, auf dem Bürgersteige an dir vorüber; ihre Augen, in denen Laternenlicht sich spiegelt, sind aus dem Winkel auf dich gerichtet, ihre Lippen zu einem heißen und unanständigen Lächeln verzerrt, und indem sie dir hastig-verstohlen den Lockruf des Totenvogels zuraunen, deuten sie mit einem kurzen SeitwärtsWinken des Kopfes ins Verheißungsvoll-Ungewisse, so, als erwarte den Mutigen, welcher dem Winke, dem Spruche folgt, dort irgendwo ein ungeheueres, nie gekostetes und grenzenloses Vergnügen.
Wie so oft und angelegentlich beobachtete ich von weitem diese kleine geheime Szene, sah auch, wie wohlgekleidete Herren entweder unbewegt widerstanden oder sich auf Verhandlungen einließen und, wenn diese zum Einverständnis gediehen, mit der unzüchtigen Führerin beschwingten Schrittes entschwanden. Denn an mich selber traten die Wesen nicht in diesem Sinne heran, da ja mein ärmlicher Aufzug ihnen keinen praktischen Vorteil von meiner Kundschaft versprach. Wohl aber hatte ich mich ihrer privaten und außerberuflichen Gunst zu erfreuen, und wenn ich, eingedenk meiner wirtschaftlichen Ohnmacht, mich ihnen zu nähern nicht wagen durfte, so geschah es nicht selten, daß sie ihrerseits, nach neugierigbeifälliger Prüfung meiner Person, auf kordialische Art das Wort an mich richteten, nach meinem Tun und Treiben kameradschaftlich fragten (worauf ich obenhin antwortete, daß ich zum Zeitvertreibe in Frankfurt mich aufhielte) und bei kleinen Plaudereien, die sich in Hausfluren und Torwegen zwischen mir und einer Gruppe der grellen Geschöpfe entspannen, das Gefallen, welches sie an mir fanden, auf verschiedene Weise und in derber, niedriger Mundart kundtaten. Solche Personen, am Rande bemerkt, sollten nicht sprechen. Wortlos lächelnd, blickend und winkend sind sie bedeutend; aber sobald sie den Mund auftun, laufen sie große Gefahr, uns zu ernüchtern und ihres Nimbus verlustig zu gehen. Denn das Wort ist der Feind des Geheimnisvollen und ein grausamer Verräter der Gewöhnlichkeit.
Übrigens aber entbehrte mein freundschaftlicher
Umgang mit ihnen nicht eines gewissen Reizes der Gefahr, und zwar folgendermaßen. Wer nämlich der menschlichen Sehnsucht berufsmäßig dient und seinen Unterhalt daraus zieht, ist darum seinerseits keineswegs über eben diese der Menschennatur tief eingeborene Schwäche erhaben; denn er würde sich ihrer Pflege, ihrer Erweckung und Befriedigung nicht so gänzlich gewidmet haben und sich weniger trefflich auf sie verstehen, wenn sie nicht in ihm sogar besonders lebendig, ja, wenn er nicht für seine Person ein rechtes Kind der Sehnsucht wäre. So nun kommt es, daß, wie bekannt, jene Mädchen außer den vielen Liebhabern, denen sie sich geschäftsweise widmen, meistens noch einen Herzensfreund und Hausgeliebten besitzen, welcher, derselben niedrigen Sphäre entstammend, auf ihren eigenen Glückstraum ebenso planmäßig sein Leben gründet, wie sie auf den aller anderen. Denn indem diese Leute, unbedenkliche und zur Gewalttat geneigte
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