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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Subjekte zumeist, einer solchen die Freuden außeramtlicher Zärtlichkeit spenden, auch ihren Dienst überwachen und regeln und ihr einen gewissen ritterlichen Schutz gewähren, machen sie sich völlig zum Herrn und Meister derselben, nehmen ihr den größten Teil dessen ab, was sie verdient, und behandeln sie, wenn das Ergebnis sie nicht befriedigt, mit großer Strenge, was jedoch gern und willig ertragen wird. Die Ordnungsmächte sind diesem Gewerbe feindlich gesinnt und verfolgen es beständig. Darum setzte ich mich bei jenen Tändeleien einer doppelten Fährlichkeit aus: erstens der, von der Sittenbehörde für einen der rohen Kavaliere gehalten und angesprochen zu werden; dann aber der andern, die Eifersucht dieser Tyrannen zu wecken und mit ihren Messern Bekanntschaft zu machen, womit sie sehr locker hantieren. So war Vorsicht auf beiden Seiten geboten, und wenn mehr als eine der Schwestern deutlich durchblicken ließ, daß sie nicht übel Lust habe, zusammen mit mir einmal das trockene Geschäft zu vernachlässigen, so stand dem jene zwiefache Rücksicht lange hindernd entgegen, bis sie in einem besonderen Falle sich, zur schweren Hälfte wenigstens, glücklich behoben zeigte.
    Eines Abends also – ich hatte mich mit besonderer Lust und Inständigkeit dem Studium des städtischen Lebens hingegeben, und die Nacht war weit vorgeschritten – rastete ich, vom Schweifen zugleich ermattet und begeistert, bei meinem Glase Punsch in einem Kaffeehause mittleren Ranges. In den Straßen fauchte ein böser Wind, und Regen, mit Schnee vermischt, ging unablässig hernieder, was mich zögern ließ, meine ziemlich entfernte Lagerstatt aufzusuchen; aber auch mein Unterschlupf befand sich in unwirtlichem Zustande: schon hatte man einen Teil der Stühle auf die Tische getürmt, Scheuerweiber führten feuchte Lappen über den schmutzigen Boden, die Bedienenden rekelten sich in verdrossenem Halbschlummer umher, und wenn ich trotzdem noch blieb, so geschah es hauptsächlich, weil ich vor den Gesichtern der Welt im tiefen Schlafe Zuflucht zu suchen mich heute schwerer als sonst entschließen konnte.
    Öde herrschte im Saal. An der einen Wand schlief ein Mann von dem Aussehen eines Viehhändlers über den Tisch gebeugt, die Wange auf seiner ledernen Geldkatze. Ihm gegenüber spielten zwei brillentragende Greise, welche der Schlaf wohl mied, vollständig schweigend Domino. Aber nicht weit von mir, nur um zwei Tischchen entfernt, saß bei einem Gläschen grünen Likörs ein einsames Fräulein, leicht als eine von Jenen erkennbar, der ich jedoch noch niemals begegnet war, und wir maßen einander mit wechselseitigem Anteil.
       Sie war wunderlich ausländischen Ansehens: denn unter einer rotwollenen, vom Wirbel seitwärts gezogenen Mütze hing ihr halbkurz geschnittenes schwarzes Haar in glatten Strähnen herab und deckte teilweise die Wangen, welche vermöge stark vortretender Augenknochen weich ausgehöhlt schienen. Ihre Nase war stumpf, ihr Mund geräumig und rot geschminkt, und ihre Augen, die schief standen, die äußeren Winkel nach oben, schimmerten blicklos und ungewiß in der Farbe, ganz eigen und nicht wie bei anderen Menschen. Zur roten Kappe trug sie eine kanariengelbe Jacke, darunter die wenig ausgebildeten Formen des oberen Körpers sich sparsam, doch schmeidig abzeichneten, und wohl sah ich, daß sie hochbeinig war nach Art eines Füllens, was immer meinem Geschmacke zusagte. Ihre Hand, indem sie den grünen Likör zum Munde führte, wies vorn sich verbreiternde und emporgebogene Finger auf, und irgendwie schien sie heiß, diese Hand, ich weiß nicht, warum, – vielleicht, weil die Adern des Rückens so stark hervortraten. Dazu hatte die Fremde eine Gewohnheit, die Unterlippe vorwärts und rückwärts zu schieben, indem sie sie an der oberen scheuerte. Mit ihr also tauschte ich Blicke, obgleich ihre schiefen, schimmernden Augen nie deutlich erkennen ließen, wohin sie sich richteten, und schließlich, nachdem wir einander so eine Weile gemustert, bemerkte ich nicht ohne jugendliche Verwirrung, daß sie mir den Wink, jenen seitlichen Wink ins Buhlerisch-Ungewisse erteilte, womit ihre Gilde den Lockspruch des Totenhühnchens begleitet. In pantomimischer Absicht kehrte ich das Futter einer meiner Taschen nach außen; allein sie antwortete mir mit einem Kopfschütteln, welches besagte, daß ich mir meiner Armut wegen keine Sorge zu machen brauchte, sie wiederholte das Zeichen, und indem sie ihre Schuldigkeit für den

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