Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
diese schlechte Hülle sogar zur Belebung ihrer Wünsche, außerdem zur Ermutigung, während sie mich bei der eleganteren Damenwelt notwendig in Nachteil setzen mußte. Ich sage nicht, daß es mir an freudig aufgefangenen und angemerkten Signalen unwillkürlicher Teilnahme an meiner natürlich bevorzugten Person von dieser Seite ganz gefehlt hätte. Wie manches Mal sah ich das eigensüchtig zerstreute Lächeln eines mattweißen, mit Eau de lis gepflegten Antlitzes sich verwirren bei meinem Anblick und das Gepräge leicht leidender Schwäche annehmen. Deine schwarzen Augen, du Kostbare im brokatenen Abendmantel, merkten groß und fast erschrocken auf, sie durchdrangen meine Lumpen, so daß ich ihre forschende Berührung auf meinem bloßen Leibe empfinden konnte, sie kehrten fragend zur Hülle zurück, dein Blick empfing den meinen, nahm ihn tief auf, indes dein Köpfchen sich wie beim Trinken ein wenig zurückneigte, er gab ihn wieder, tauchte mit süßem und unruhvoll-dringlichem Versuch der Ergründung in meinen, – und dann freilich mußtest du dich ›gleichgültig‹ abwenden, mußtest dein rollendes Heim erklettern, und während du schon zur Hälfte im seidenen Gehäuse schwebtest und dein Bedienter mir mit der Miene väterlichen Wohlwollens ein Geldstück verabfolgte, zögerten noch deine rückwärtigen Reize, von geblümtem Gold überspannt, vom Mondschein der großen Lampen der Vorhalle des Opernhauses bestrahlt, gleichsam unschlüssig im engen Rahmen der Wagentür.
Nein doch, an stillen Begegnungen, deren eine ich nicht ohne Bewegung heraufrief, fehlte es nicht durchaus. Im ganzen aber: was sollen Frauen in goldenen Abendmänteln anfangen mit dem, was ich damals darstellte, das heißt: mit einer Jugend, die schon als solche kaum mehr als ein Achselzucken von ihnen zu gewärtigen hat, durch Bettelhaftigkeit der Erscheinung aber, durch das Fehlen von allem, was den Kavalier macht, in ihren Augen vollends entwertet wird und gänzlich aus dem Kreise ihrer Aufmerksamkeit fällt? Die Frau bemerkt nur den ›Herrn‹ – und ich war keiner. Ganz anders nun aber verhält es sich mit gewissen abseits wandernden Herren, Schwärmern, welche nicht die Frau suchen, aber auch nicht den Mann, sondern etwas Wunderbares dazwischen. Und das Wunderbare war ich. Darum hatte ich so viel ausweichende Höflichkeit nötig, um andringende Begeisterung dieser Art zu dämpfen, ja zuweilen lag es mir ob, flehender Untröstlichkeit verständigbegütigend zuzureden.
Ich verschmähe es, die Moral gegen ein Verlangen ins Feld zu führen, das mir in meinem Fall nicht unverständlich erschien. Vielmehr darf ich mit jenem Lateiner sagen, daß ich nichts Menschliches mir fremd erachte. Zur Geschichte meiner persönlichen Liebeserziehung aber sei folgender Bericht hier schicklich angereiht.
Unter allen Spielarten des Menschlichen, welche die große Stadt meiner Beobachtung darbot, mußte eine gewisse und besondere, deren bloßes Vorkommen in der bürgerlichen Welt der Phantasie nicht wenig Nahrung bietet, die Achtsamkeit des sich bildenden Jünglings vorzüglich auf sich lenken. Es war dies jene Spezies weiblicher Einwohner, die, bezeichnet als öffentliche Personen und Freudenmädchen, auch wohl einfach als Kreaturen oder, in höherem Tone, als Venuspriesterinnen, Nymphen und Phrynen, entweder in gefriedeten Häusern beieinander wohnend oder bei Nacht auf bestimmten Straßenzeilen umherstreichend, sich mit obrigkeitlicher Zustimmung oder Duldung einer bedürftigen und zugleich zahlungsfähigen Männerwelt zu vertrautem Umgange feilhalten. Immer schien mir, daß diese Einrichtung, so gesehen, wie man, wenn mir recht ist, alle Dinge sehen sollte, nämlich mit einem frischen und von Gewohnheit nicht befangenen Blick: daß also diese Erscheinung wie ein farbig-abenteuerlicher Rückstand aus grelleren Epochen in unser wohlgesittetes Zeitalter hineinrage, und stets übte sie eine belebende, ja, durch ihr bloßes Vorhandensein beglückende Wirkung auf mich aus. Jene besonderen Häuser zu besuchen, war ich durch meine große Armut gehindert. Auf der Gasse jedoch und an nächtlich geöffneten Erfrischungsstätten hatte ich ausgiebige Gelegenheit, die lockenden Wesen meinem Studium zu unterziehen, und nicht einseitig blieb diese Teilnahme, sondern wenn ich einer beifälligen Aufmerksamkeit irgend mich erfreuen durfte, so war es seitens der huschenden Nachtvögel, und es währte nicht lange, bis ungeachtet meiner sonst
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