Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
einen feinen Soldaten ab. Und wer weiß, ob Sie nicht Feldwebel hätten werden können, wenn Sie kapituliert hätten!«
Nachträglich erst, wie gesagt, gelangte diese vertrauliche Ansprache in mein Bewußtsein, und während eilende Räder mich heimwärts trugen, dachte ich bei mir selbst, daß der Mensch wohl damit recht gehabt haben mochte; ja, wenn ich mir einbildete, wie vortrefflich, natürlich und überzeugend der Waffenrock mir angestanden haben würde, wie befriedigend, solange ich ihn getragen hätte, meine Person darin aufgegangen wäre: so wollte fast Bedauern mich anwandeln, daß ich den Zugang zu einer so kleidsamen Daseinsform, einer Welt, in welcher der Sinn für natürlichen Rang offenbar fein entwickelt ist, vorsätzlich links hatte liegenlassen.
Reiferes Nachdenken freilich mußte mich zu der Einsicht führen, daß mein Eintritt in diese Welt dennoch einen groben Fehler und Irrtum bedeutet haben würde. War ich doch nicht im Zeichen des Mars geboren – wenigstens nicht im besondern und wirklichen Sinn! Denn wenn freilich kriegerische Strenge, Selbstbeherrschung und Gefahr die hervorstechendsten Merkmale meines seltsamen Lebens bildeten, so beruhte es doch in erster Linie auf der Vor- und Grundbedingung der Freiheit, – einer Bedingung also, welche mit irgendwelcher Einspannung in ein plump tatsächliches Verhältnis schlechterdings unvereinbar gewesen wäre. Lebte ich folglich soldatisch, so wäre es doch ein tölpelhaftes Mißverständnis gewesen, wenn ich darum als Soldat leben zu sollen geglaubt hätte; ja, wenn es gälte, ein so erhabenes Gefühlsgut wie dasjenige der
Freiheit für die Vernunft zu bestimmen und zuzurichten, so ließe sich sagen, daß dies eben: soldatisch, aber nicht als Soldat, figürlich, aber nicht wörtlich, daß im Gleichnis leben zu dürfen eigentlich Freiheit bedeute.
Sechstes Kapitel
N ach diesem Siege, einem wahren Davidssiege, wieich ihn nennen möchte, kehrte ich vorderhand, da die Zeit für meinen Eintritt in das Pariser Hotel noch nicht gekommen war, zu dem oben mit einigen Strichen geschilderten Dasein auf dem Pflaster Frankfurts zurück, – einem Dasein gefühlvoller Einsamkeit im Strudel der Welt. Auf dem Getriebe der Großstadt lose schaukelnd, hätte ich wohl, wenn der Sinn mir darnach gestanden hätte, mancherlei Gelegenheit zu Austausch und Genossenschaft mit allerlei Existenzen gefunden, die man äußerlich als der meinen verwandt oder gleichartig hätte ansprechen können. Doch war dies mein Trachten so wenig, daß ich vielmehr solche Verbindungen entweder ganz vermied oder doch Sorge trug, daß sie zu irgendwelcher Vertraulichkeit keinesfalls gediehen: Denn eine innere Stimme hatte mir früh verkündigt, daß Anschluß, Freundschaft und wärmende Gemeinschaft mein Teil nicht seien, sondern daß ich allein, auf mich selbst gestellt und streng verschlossen meinen besonderen Weg zu machen unnachsichtig gehalten sei; ja, um genau zu sein, so wollte mir scheinen, daß ich, indem ich mich im geringsten gemein machte, mit Konsorten schmollierte oder, wie mein armer Vater gesagt haben würde, mich auf den Frereet-cochon-Fuß stellte, kurz, mich in laxer Zutunlichkeit ausgäbe, irgendwelchem Geheimnis meiner Natur zu nahe treten, sozusagen meinen Lebenssaft verdünnen und die Spannkräfte meines Wesens aufs schädlichste schwächen und herabsetzen würde.
Darum begegnete ich, etwa an den klebrichten Marmortischchen der kleinen Nachtlokale, die ich besuchte, neugierigen Annäherungsversuchen und Zudringlichkeiten mit jener Höflichkeit, die meinem Geschmack und Charakter bequemer als Grobheit sich darbot, und die zudem einen ungleich stärkeren Schutzwall bildet als diese. Denn die Grobheit macht gemein, aber die Höflichkeit ist es, welche Abstände schafft. So war denn sie es auch, die ich zu Hilfe nahm bei unwillkommenen Vorschlägen, die meiner Jugend – nicht zur Überraschung des in der vielfältigen Welt der Gefühle erfahrenen Lesers, so nehme ich an – je und je, mit mehr oder weniger Verblümtheit und Diplomatie von gewisser männlicher Seite unterbreitet wurden, – wahrlich kein Wunder bei dem anziehenden Lärvchen, das die Natur mir vermacht, und einer allgemein gewinnenden Kondition, die durch armselige Kleidung, durch den Schal um den Hals, geflicktes Habit und schadhaftes Schuhzeug, nicht unkenntlich gemacht werden konnte. Den Ansuchern, von denen ich spreche und die, versteht sich, den höheren Ständen angehörten, diente
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