Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Schreien der Zeitungsverkäufer, war betäubend, und sinnverwirrend das Licht. Vor den Cafés saßen unter schützender Markise Leute in Hut und Mantel an kleinen Tischen und blickten, den Stock zwischen den Knien, wie von gemieteten Parkettplätzen in den sich vorüberwälzenden Verkehr, während dunkle Gestalten zwischen ihren Füßen Zigarrenstummel aufsammelten. Um diese kümmerten sie sich nicht und nahmen keinen Anstoß an ihrem kriechenden Geschäft. Offenbar betrachteten sie sie als eine stehende und zugelassene Einrichtung der Zivilisation, an deren fröhlichem Tumult sie sich in ihrer Geborgenheit ergötzten.
Es ist die stolze Rue de la Paix, welche den Opernplatz mit der Place Vendôme verbindet, und hier denn, bei der mit einem Standbild des gewaltigen Kaisers gekrönten Säule, verließ ich den Wagen, um zu Fuß mein eigentliches Ziel, die Straße Saint Honoré, welche, wie der Gebildete weiß, der Rue de Rivoli gleichläuft, aufzusuchen. Leicht war das geschehen, und deutlich genug, in Buchstaben von hinlänglicher Größe und Leuchtkraft, sprang mir schon von weitem der Name des Hotels Saint James and Albany in die Augen.
Dort gab es Départs und Ankünfte. Herrschaften, im Begriffe, ihre mit Koffern beschwerten Mietgefährte zu besteigen, reichten Hausdienern, welche für sie bemüht gewesen waren, Trinkgelder hin, während andere Handlanger das eben abgeladene Gepäck von Neuankömmlingen ins Innere trugen. Freiwillig rufe ich das Lächeln des Lesers hervor, indem ich eine gewisse Zaghaftigkeit einbekenne, die mich vor der Kühnheit beschleichen wollte, dieses anmaßende und kostspielige Haus in vornehmster Lage zu betreten. Vereinigten sich aber nicht Recht und Pflicht, mir Mut zu machen? War ich nicht bestellt und bestallt dahier, und war mein Pate Schimmelpreester nicht ein Duzbruder des Oberherrn dieses Instituts? Dennoch riet Bescheidenheit mir, statt einer der beiden gläsernen Drehtüren, durch welche die Reisenden eintraten, lieber den seitlichen offenen Zugang zu benutzen, dessen die Gepäckschlepper sich bedienten. Diese aber, wofür immer sie mich halten mochten, wiesen mich als unzugehörig zurück, so daß mir nichts übrigblieb, als mit meinem Köfferchen in einen jener prächtigen Windfänge zu treten, bei dessen Drehung mir zu meiner Beschämung auch noch ein dort postierter Page in rotem Schniepel-Jäckchen behilflich war. »Dieu vous bénisse, mon enfant!« sagte ich, unwillkürlich mit den Worten jenes guten Weibes, zu ihm, – worüber er in ein ebenso herzliches Gelächter ausbrach wie die Kinder, mit denen ich im Zuge gespaßt hatte.
Ein prachtvoller Kronensaal mit Porphyrsäulen und einer in der Höhe des Entresols umlaufenden Galerie nahm mich auf, wo viel Menschheit hin und wider wogte und reisefertig gekleidete Personen, auch Damen mit zitternden Hündchen auf dem Schoß, wartend die tiefen Fauteuils einnahmen, welche auf Teppichen an den Säulen standen. Ein livrierter Bursche wollte mir in unangebrachtem Diensteifer mein Köfferchen aus der Hand nehmen, aber ich litt es nicht, sondern wandte mich nach rechts zu der als solche leicht erkennbaren Concierge-Loge, wo ein matt und kalt blickender Herr in goldbetreßtem Gehrock und offenbar an hohe Kontributionen gewöhnt in drei oder vier Sprachen dem die Loge umdrängenden Publikum Auskünfte erteilte und zwischenein solchen Gästen des Hotels, die danach verlangten, mit distinguiertem Lächeln ihre Zimmerschlüssel überhändigte. Lange mußte ich anstehen, bis ich Gelegenheit fand, ihn zu fragen, ob er wohl meinte, daß Herr Generaldirektor Stürzli im Hause sei, und wo allenfalls mir die Möglichkeit winkte, mich ihm zu präsentieren.
»Monsieur Stürzli wollen Sie sprechen?« fragte er mit kränkendem Erstaunen. »Und wer sind Sie?«
»Ein neuer Angestellter des Etablissements«, gab ich zur Antwort, »dem Herrn Generaldirektor persönlich aufs beste empfohlen.«
»Étonnant!« erwiderte der dünkelhafte Mann und fügte mit einem Hohn, der mich in tiefster Seele verletzte, hinzu: »Ich zweifle nicht, daß Monsieur Stürzli seit Stunden mit schmerzlicher Ungeduld Ihrem Besuch entgegensieht. Vielleicht bemühen Sie sich einige Schritte weiter zum Bureau de réception.«
»Tausend Dank, monsieur le concierge«, antwortete ich. »Und mögen auch in Zukunft reiche Trinkgelder Ihnen von allen Seiten zufließen, damit Sie bald in der Lage sind, sich ins Privatleben
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