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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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zurückzuziehen!«
       »Idiot!« hörte ich ihn mir in den Rücken nachrufen. Allein das betraf und berührte mich nicht. Ich trug mein Stück Handgepäck weiter zur Réception, die sich, in der Tat nur wenige Schritte von der Concierge-Loge entfernt, an derselben Seite der Halle befand. Sie war noch umlagerter als jene. Zahlreiche Reisende beanspruchten die Aufmerksamkeit der beiden dort waltenden Herren in strenger Salontoilette, erkundigten sich nach ihren Reservationen, nahmen die Nummern der ihnen zugeteilten Zimmer entgegen, legten schriftlich ihre Personalien nieder. Bis zur Tisch-Schranke vorzudringen kostete mich viel Geduld; doch endlich stand ich einem der beiden Herren, einem noch jungen Mann mit gezwirbeltem Schnurrbärtchen und Pincenez, übrigens von fahler, ungelüfteter Gesichtsfarbe, Aug in Auge gegenüber.
    »Sie wünschen ein Zimmer?« fragte er, da ich bescheidentlich seine Anrede erwartet hatte.
    »Oh, nicht doch – nicht so, Herr Direktor«, antwortete ich lächelnd. »Ich gehöre zum Hause, wenn ich bereits so sagen darf. Mein Name ist Krull, mit dem Zunamen Felix, und ich melde mich zur Stelle, um einer Abmachung gemäß, die zwischen Herrn Stürzli und seinem Freunde, meinem Paten Professor Schimmelpreester, getroffen wurde, in diesem Hotel als Hilfskraft zu wirken. Das heißt –«
    »Treten Sie zurück!« befahl er leise und hastig. »Warten Sie! Treten Sie ganz zurück!« Und dabei überschwebte eine leichte Röte seine Zimmerfarbe, und unruhig blickte er um sich, gerade als bereite das Erscheinen eines neuen, noch nicht eingekleideten Angestellten, das Sichtbarwerden eines solchen als menschliche Person vor dem Publikum ihm größte Verlegenheit. Wirklich waren die Blicke einiger der am Desk beschäftigten Personen neugierig auf mich gerichtet. Man unterbrach sich im Ausfüllen der Meldeformulare, um nach mir auszuschauen. »Certainement, monsieur le directeur!« antwortete ich gedämpft und zog mich weit hinter diejenigen zurück, die nach mir gekommen waren. Übrigens waren es nicht mehr viele, nach einigen Minuten war es, gewiß nur vorübergehend, vor der Réception ganz leer geworden.
    »Nun, und Sie?« wandte sich unter diesen Umständen
    der Herr mit der Zimmerfarbe an mich, der ich ferne stand.
       »L’employé-volontaire Félix Kroull«, antwortete ich, ohne mich von der Stelle zu rühren; denn ich wollte ihn zwingen, mich zum Nähertreten einzuladen.
       »So kommen Sie doch heran!« sagte er nervös. »Glauben Sie, ich habe Lust, über diesen Abstand hinweg Zurufe mit Ihnen zu tauschen?«
       »Ich nahm ihn ein auf Ihren Befehl, Herr Direktor«, erwiderte ich, indem ich mich bereitwillig näherte, »und habe nur auf Ihre Gegen-Order gewartet.«
       »Meine Weisung«, verbesserte er, »war nur zu notwendig. Was haben Sie hier zu suchen? Wie kommen Sie dazu, die Halle einfach wie ein Reisender zu betreten und sich mir nichts, dir nichts unter unsere Clientèle zu mischen?«
       »Ich bitte vieltausendmal um Entschuldigung«, sagte ich unterwürfig, »wenn das ein Fehler war. Ich wußte keinen anderen Weg als den frontalen durch die Drehtür und die Halle zu Ihnen. Aber ich versichere Sie, daß der schlechteste, dunkelste geheimste und rückwärtigste Weg mir nicht zu gering gewesen wäre, um nur vor Ihr Angesicht zu gelangen.«
       »Was sind das für Redensarten!« entgegnete er, und wieder erglomm ein zarter Schein von Farbe auf seinen fahlen Wangen. Diese Neigung zum Erröten gefiel mir an ihm.
       »Sie scheinen«, fügte er hinzu, »entweder ein Narr oder ein wenig gar zu intelligent zu sein.«
       »Ich hoffe«, erwiderte ich, »meinen Vorgesetzten rasch zu beweisen, daß meine Intelligenz sich genau in den richtigen Grenzen hält.«
    »Mir ist sehr zweifelhaft«, sagte er, »ob Ihnen dazu Gelegenheit gegeben sein wird. Ich wüßte im Augenblick von keinerlei Vakanz im Stabe unserer Angestellten.« »Gleichwohl erlaubte ich mir zu erwähnen«, erinnerte ich ihn, »daß es sich um eine feste Abmachung meinetwegen zwischen dem Herrn Generaldirektor und einem Jugendfreunde von ihm handelt, der mich aus der Taufe hob. Absichtlich habe ich nicht nach Herrn Stürzli gefragt, denn ich weiß wohl, daß er nicht vor Ungeduld vergeht, mich in Augenschein zu nehmen, und mache mir keine Illusionen darüber, daß ich diesen Herrn höchstwahrscheinlich spät oder nie zu sehen bekommen werde. Aber daran ist wenig gelegen. Vielmehr war all mein Sinnen und

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