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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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Ende des Teppichs sah es kurz so aus, als würde Boy zusammenbrechen. Catallano und Laden halfen Boys Mutter dabei, ihn ins Terminal zu tragen. Der Philippine Examiner am nächsten Tag trug auf der Titelseite die Schlagzeile: MANILAS BOY WIEDER ZU HAUSE.
    Nach seiner Entlassung schickte ich Boy eine E-Mail und erklärte, dass ich seinen Fall vom Tag seiner Verschleppung an verfolgt hatte. »Das Ganze ist ein himmelschreiendes Unrecht, und ich schäme mich für mein Land«, schrieb ich. Ich drückte ihm mein tiefstes Mitgefühl aus und bot ihm meine private wie berufliche Hilfe an, falls er sie in irgendeiner Form brauche.
    Ich erhielt keine Antwort.
    Wochen später bekam ich einen Brief, unterschrieben mit dem Pseudonym Ellie Nargelbach. Ein Anagramm von Gabrielle Chanel.
    Lieber Gil,
    liebend gern würde ich mich mit Ihnen treffen, aber wie Sie sicher wissen, habe ich die strikte Anordnung, absolutes Stillschweigen zu wahren. Eine Farce inhumaine ! Ich verbleibe mit dem Vorschlag, dass Sie sich die Eröffnung des neuen Balenciaga-Store nächsten Monat in Makati nicht entgehen lassen sollten, lieber Freund. In der Nähe gibt es ein wunderbares Café mit einem Teich und einer Gondel. Dort kann man bei einem Espresso doppio wunderbar zu zweit einer Oper lauschen und sich vorstellen, in Milano zu sitzen und knackigen Hintern hinterherzuschauen. Folgen Sie einfach dem Klang von Puccini in den nordwestlichen Gang des Platzes. Das Café befindet sich neben Bubba Gump Shrimp.
    Hochachtungsvoll,
    Ihre Ellie Nargelbach
    In meiner Antwort informierte ich Ellie Nargelbach, dass ich zu der Eröffnung im nächsten Monat kommen werde, aber der Brief wurde nach zwei Wochen an mich zurückgeschickt.Das hieß aber nichts. Ich hatte mir schon Tickets nach Manila gekauft.
    Der Flug von New York dauerte fast vierundzwanzig Stunden. In Narita stieg ich auf eine ägyptische Fluggesellschaft um. Auf diesem Flug saß ich ohne Beinfreiheit in der Economy Class und bekam nach einer knappen halben Stunde schon Krämpfe. Zum ersten Mal stellte ich mir vor, was Boy während seiner Haftzeit alles durchgemacht haben musste. Ich hatte gelesen, dass die Insassen den Transport in extrem unangenehmen Positionen verbringen mussten, mit bedeckten Augen und Ohren flach an den Boden gekettet und jeder Sinneswahrnehmung beraubt. Dann dachte ich daran, wie der Boy, den ich kannte, in seiner Zelle saß. Ich war mir sicher, dass ich das nie ausgehalten hätte. Probehalber versuchte ich, sitzen zu bleiben, während mir die Beine taub wurden. Doch schon das war zu viel für mich, und ich bat meinen Sitznachbarn, mich aufstehen zu lassen. Die Qualen, die Boy durchleiden musste, lassen sich nicht simulieren. Dass er am Ende nicht nur lebendig wieder herausgekommen ist, sondern nach alldem wieder ein eigenes Leben führt, ist ein unglaubliches Beispiel menschlicher Widerstandskraft.
    Er erschien am frühen Abend am verabredeten Ort. Seine Haut wirkte sehr hell, fast blass. Er hatte einen ausgestellten weißen Rock und eine marineblaue Bluse an, die nach Vivienne Cho aussah. Außerdem trug er flache Chanel-Schuhe und hatte die Beine frisch rasiert. Sein Gesicht verbarg er hinter einer ovalen Retro-Sonnenbrille und einer schulterlangen schwarzen Perücke, deren Pony ihm tief in die Stirn fiel. Er sah aus wie ein Filmstar aus den Sechzigern. Aber seine Marc-Jacobs-Schultertasche verriet ihn. Ein sehr teurer Artikel aus der Herrenkollektion, den ich gleich erkannte.
    Er kam an meinen Tisch und streckte mir die Hand entgegen. »Ellie Nargelbach«, stellte er sich nonchalant vor. »Sehr erfreut, dass Sie es einrichten konnten.«
    Ich war schon aufgestanden und gab ihm die Hand. War das Boys neueste Inkarnation oder nur eine paranoide Vorsichtsmaßnahme? Zugegeben, ich war mir nicht sicher. Ich beschloss mitzuspielen. »Schön, Sie endlich kennenzulernen«, erwiderte ich. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
    »Sehr gern, aber ich kann nicht lange bleiben. Hätten Sie vielleicht ein Taschentuch?«
    »Eine Serviette.«
    »Danke.« Boy wischte den Stuhl ab, bevor er sich setzte. Er sah sich auf dem Platz um, auf dem Leute mit großen Einkaufstüten von Gucci und Louis Vuitton umherspazierten. Dann warf er einen Blick über den Teich auf den Mann in der Gondel.
    »Entschuldigung, haben Sie noch eine Serviette?«, fragte er. Er wischte sich hinter der Sonnenbrille über die Augen. »Das passiert mir hier immer.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Ich bin allergisch auf diese

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