Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
am Rock vor, damit er die gewünschte Form bekam. Aus diesem Kleid würde mein Inside-Out-Kleid werden, das Sahnestück der (B)oy Herbstkollektion ’04, auch wenn die Ähnlichkeit nur für ein sehr geübtes Auge erkennbar sein würde. 22
»Draußen lief ein Drogendealer rum«, sagte sie. »So ein schauderhafter Typ mit Augenklappe. Er hat aus einem Arzneifläschchen irgendwelche Pillen verteilt. Die Leute standen Schlange und hielten die Hände auf wie bei der heiligen Kommunion.«
»Ach, das ist bloß Roddy, der ist harmlos. Er verkauft Methadon. Das gibt’s auf Rezept.« Mir wurde etwas mulmig bei der Vorstellung, wie sie durch Bushwick spazierte, aber ich versuchte, mir nicht allzu viele Gedanken zu machen.
»Wenn ich Junkies sehe, juckt’s mich überall«, sagte Olya.
»Geh mal ein paar Schritte«, bat ich sie.
In High Heels schritt sie durch das Zimmer.
»Hast du Koks da?«, fragte sie.
»Nein, alles alle.«
»Wenn wir heute Abend weggehen wollen, müssen wir was besorgen. Im Spa ist eine Party. Steven Meisel kommt auch.«
»Und, wie fühlt es sich an?«
Olya blieb vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich. »Es ist zauberhaft. Ein Traum.«
»Im Ernst?«
»Ja. Ist voll elegant, weißt du? Nicht irgendwie nuttig oder so.«
»Wie sitzt es an der Taille? Zu eng?«
»Nein, es ist perfekt.«
In diesem Moment war ich so glücklich, dass ich weinen musste. Das ging mir immer so, wenn ein guter Freund meine Arbeit lobte. »Ich bin so froh, dass es dir gefällt. Zieh es aus und probier noch was anderes an.«
»O Mann, Schätzchen«, sagte sie. »Du bist so ein Mädchen. Hör auf zu weinen.«
»Ich freu mich einfach so. Ich kann nichts dafür.«
Jemand klopfte an die Tür. Es gab nur einen Menschen, der das sein konnte.
»Oh, Scheiße«, murmelte ich.
»Wer ist das?«
»Dreimal darfst du raten. Ahmed wahrscheinlich.«
»Wer ist Ahmed?«
»Ein Kunde. Ich wimmel ihn ab.«
Kaum dass ich die Tür geöffnet hatte, sagte Ahmed: »Du hast geweint. Was ist los?«
»Entschuldige bitte, aber ich hab gerade Besuch von einer Freundin. Wir sind mitten in einer Anprobe.« Ich trat einen Schritt zurück, damit Ahmed Olya in dem weißen Kleid sehen konnte.
»Meine Verehrteste«, sagte Ahmed zu Olya, »ich bitte vielmals um Verzeihung. Wenn Sie erlauben, darf ich michkurz vorstellen, dann bin ich auch wieder weg. Ahmed Qureshi, Stoffhändler.«
»Olya, internationales Model.«
Es schien, als sprächen sie dieselbe Sprache. Olya streckte die Hand aus, und Ahmed nahm sie und senkte den Kopf. In diesem Moment – Olya so elegant gekleidet und Ahmed in seiner schmuddeligen Dischdascha – fühlte ich mich wie in einem Kindheitsmärchen. Ahmed, der König eines fremden Landes, verbeugt sich vor der polnischen Prinzessin Olya.
»Enchanté, meine Liebe«, sagte er. »Wenn Sie so freundlich wären, mir einen Blick auf Sie in diesem überaus reizvollen Abendkleid zu erlauben.«
»Das ist ein Cocktailkleid.«
»Jacke wie Hose«, sagte er.
Olya zog eine Schnute und vollführte eine 360-Grad-Drehung. Die Aufmerksamkeit gefiel ihr.
»Vorsicht, meine Liebe. In meinem Alter verträgt die Pumpe nicht mehr solche Reize von einem hübschen Mädchen.«
»Ach, Sie Sprücheklopfer.«
Das brachte ihn zum Lachen. »Boy, dieses Kleid kenn ich doch irgendwoher.« Er schnippte ein paarmal schnell mit den Fingern. »Das ist doch das von neulich Abend. Ich hab den Rückenausschnitt wiedererkannt. Wie ich sehe, hast du meinen Rat beherzigt und vorn an der Brust ein bisschen mehr hmpff reingebracht. Tschuldige, meine Liebe. Ich will nicht so reden, als wärst du nicht im Raum.«
»Ist schon okay. Ich bin Profi.«
»Ich fall gleich in Ohnmacht, Schätzchen. Wenn ich diesen Mann mal kurz entführen dürfte …«
Ahmed zog mich in den Flur.
»Tut mir leid, dass ich mich noch nicht wieder bei dir gemeldet habe«, sagte ich, »aber ich hab jetzt wirklich keine Zeit. Olya ist da und …«
»Zwei Sekündchen«, sagte er gelassen.
»Okay.«
»Deine Perle?«
»Meine was?«
»Deine Perle. Ist sie nicht deine Freundin?«
»Ach, meine Freundin. Nein, nein, sie ist nur eine Freundin.«
»Hübsches Ding. Denk mal drüber nach. Deinetwegen. Egal, ich bin nicht gekommen, um dir auf die Fingernägel zu schauen. Der Künstler muss arbeiten.« Ahmed betonte immer, was für ein großer Künstler ich sei, dabei wusste er gar nichts über mich. Er hatte ein einziges Kleid gesehen. »Ich will dich um einen kleinen Gefallen bitten. Ich hab
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