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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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bald einen Geschäftstermin. Er erfordert meine persönliche Anwesenheit. Soll heißen, ich muss meinen Hintern da hinbewegen, u. A.w.g. bis morgen, und ich muss mich entscheiden, ob ich das Hühnchen will oder den Lachs. Du weißt ja, wie so was läuft. Der Fisch bei solchen Anlässen, na ja, was will man machen? Jedenfalls ist das eher so eine lockere Businesssache, kein Krawattenzwang, aber ich würde unheimlich gern in einem von deinen Designs auflaufen. Das würde mir eine Menge bedeuten, Boy. Und es würde bei einigen Anwesenden sicher Eindruck schinden. Es werden ein paar sehr wichtige Leute im Raum sein. Was ich damit sagen will, ich brauche einen Anzug schon bis Freitag. Kannst du liefern?«
    Das schien mir unmöglich, bis Freitag waren es nur noch drei Tage. Obwohl ich damals am FIM innerhalb von drei Tagen eine ganze Abschlusskollektion zusammengeschustert hatte. In Nachtschichten hatte ich den Stoff gefärbt und bis zum frühen Morgen je zwei Outfits genäht. Aber hier ging es um einen Anzug. Anzüge erfordern Zeit. Sie haben mehr Schichten, mehr Struktur, Innenfutter, Taschen, Polster. Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch nie einen genäht hatte.
    »Nein, das schaffe ich nicht«, sagte ich ihm.
    »Ich weiß, was du jetzt denkst, Boy. So war das nicht ausgemacht. Ich weiß. Es war nicht meine Absicht, dich in so eine Lage zu bringen. Aber sieh mal, was ist schon Freitag? Freitag ist bloß ein Tag. Mittwoch, Donnerstag, Freitag. Stimmt’s oder hab ich recht?«
    »Ich bin mir bloß nicht sicher, ob du die Qualität bekommst, die du bekommen würdest, wenn ich mehr Zeit hätte. Für das Geld, das du mir zahlst, sollte er perfekt sein. Zwei Wochen. Zwei Wochen kann ich dir zusagen.«
    »Baby, sieh mal. Du bist ja ganz aufgeregt. Pass auf, heute in zwei Wochen, was haben wir da? Dienstag. Ich brauche einen Anzug am Freitag. Diesen Freitag. Was Schickes. Ja? Freitag muss sein. Also, wie viel?«
    »Das spielt keine Rolle. Geld ist nicht das Thema.«
    »Nenn mir deinen Preis. Lieferung am Freitag. Also, wie viel? Zweihundert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du hörst mir nicht zu. Ich brauche Zeit .«
    »Dreihundert? Das sind alles in allem zwei acht, Boy. Das ist ein fairer Preis. Zwei acht, und der Stoff geht auf mich. Ein Aufschlag von zwölf Prozent. Denk dran, du brauchst ja nur einen bis Freitag zu liefern. Für den anderen lass dir ruhig deine zwei Wochen Zeit. Oder schlag halt noch was drauf, was kümmert’s mich?«
    »Nein.«
    »Na gut, werden wir doch mal kreativ. Dreitausend für den ganzen Kladderadatsch. Da hast du’s. Du hast gerade fünfhundert rausgeschlagen, und ich betrachte es immer noch als einen Gefallen deinerseits.«
    Er war ein überzeugender Geschäftsmann. Mit den zusätzlichen fünfhundert Dollar käme ich in Bushwick im Großen und Ganzen einen weiteren Monat über die Runden. Undden Rest konnte ich zu meinen Ersparnissen für eine neue Wohnung legen. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als nach Williamsburg zu ziehen, wo ich wirklich hingehörte.
    Da stand ich also und verfolgte meine eigenen Interessen. Aber tun wir nicht alles, was wir tun, nur aus diesem Grund? Als Bürger der Moderne versuchen wir doch immer, unseren sozialen Status zu verbessern, bis hin zum kleinsten Detail. Luxus, Komfort, das alles gehört zum Weiterkommen. Wenn das das Verbrechen ist, bin ich schuldig im Sinne der Anklage.
    »Ich brauche aber eine Overlockmaschine«, sagte ich.
    »Was ist das denn?«
    »Eine spezielle Nähmaschine. Und eine Knopflochstanze und einen neuen Zuschneidetisch.«
    »Gebongt. Leg’s aus. Ich erstatte es dir.«
    »Prima. Dreitausend plus das neue Equipment. Ich heb die Quittungen auf.«
    »Quittungen, Tittungen . Sag mir einfach, wie viel. Wir vertrauen uns doch, oder?«
    »Ja.«
    »Also sag mir einfach wie viel, Baby. Wir wollen uns doch nicht über Geld streiten. Das mit uns ist was Besonderes. Ganz locker. Mach dir keinen Kopf wegen der Kohle. Wechselgeld behältst du für die Spesen.«
    Ahmed wuchs mir allmählich ans Herz. Vielleicht beweist das nur ein weiteres Mal, wie naiv ich war, aber er hielt nichts von den Formalitäten, die zu einem Geschäft normalerweise dazugehörten. Bei ihm zählte das Wort, sonst nichts. Keine Unterschriften. Keine Verträge. Er ließ einen glauben, es sei gleich am Anfang ein Vertrauensverhältnis entstanden. Und von Zeit zu Zeit testete er dieses Vertrauensverhältnis und erkundigte sich, wie es allgemein darum stehe. Er wollte nie, dass

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